Die Zwanziger Jahre (German Edition)
2007 auf dem Bundestag in Mainz wurde ich zum dritten Mal zum DFB -Präsidenten gewählt – diesmal einstimmig. 2006 war eine vorgezogene Wahl mit der Auflösung der Doppelspitze, wie es 2004 vereinbart und in der Satzung verankert worden war, ein Jahr später stand die turnusmäßige Wahl des Präsidenten an. Gleichzeitig wechselte Generalsekretär Horst R. Schmidt ins Amt des Schatzmeisters, sein Nachfolger wurde Wolfgang Niersbach. Ich spürte, dass sowohl die Mitgliedsverbände aus dem Amateurbereich als auch die Profis hinter mir standen. Jetzt hatte ich die Kraft und die Unterstützung, um meine eigentlichen Ziele anzugehen. Das waren neben der Förderung des Frauenfußballs das gesellschaftliche Engagement und die gemeinnützige Aufgabe, vor der der Fußball steht.
Ich habe immer großen Wert darauf gelegt, dass sich der DFB , anders als er das in den ersten fünfzig Jahren seines Bestehens getan hat, als starke zivile Kraft einsetzt für eine werteorientierte Demokratie. Das Geschenk der Demokratie nach 1945 kann nicht nur durch politisches Handeln erhalten bleiben, sondern es braucht das Engagement jedes Einzelnen. Freiheit, Solidarität und soziale Gerechtigkeit sind nicht selbstverständlich und müssen immer wieder unter neuen Herausforderungen erkämpft werden. Hier muss der Fußball seinen Beitrag leisten, sonst übersieht er seinen eigenen Auftrag und kann nicht, wie es Bischof Huber ausgedrückt hat, zu einem »starken Stück Leben« werden.
Mich hat in diesem Zusammenhang die Bekanntschaft mit dem katholischen Theologen Hans Küng sehr beeindruckt, den ich über unser Präsidiumsmitglied Alfred Sengle kennengelernt habe. Küng hat sich intensiv mit unseren Vorstellungen vom moralischen Anspruch des Fußballs befasst und hierzu in seinem Buch »Projekt Weltethos« einige Thesen aufgestellt. Ihm zufolge braucht der Fußball und der Sport insgesamt klare Spielregeln und muss sie auch einhalten. Nur durch die Einhaltung der Regeln, so Küng, kommt ein gutes, faires, schönes Spiel zustande. Zudem setzt Fair Play, das regelgerechte Spiel, auch die Beachtung ethischer Normen voraus. Der Geist des Sports, die Idee des Fair Play, wird aber immer häufiger kommerziellen Interessen geopfert. Dabei braucht der Sport zwar keine »Sonderethik«, aber in Zeiten der Globalisierung überall auf der Welt die gleichen Spielregeln, und vor allem ein globales Ethos, das sich an den »allgemeinen ethischen Regeln der Menschlichkeit« orientiert.
Die Studie zur Rolle des Fußballs im Dritten Reich des Mainzer Historikers Nils Havemann, die wir 2001 in Auftrag gegeben hatten und im September 2005 in Empfang nahmen, gab uns die notwendige Orientierung. Wir entwickelten den Julius-Hirsch-Preis, der 2005 zum ersten Mal an den FC Bayern München vergeben wurde. Ein hochkarätiger Preis, der die nötigen Signale in einer Zeit setzt, in der die rechte Szene versucht, Menschen für rassistisches Gedankengut zu gewinnen. Sehr glücklich bin ich über das Vertrauen und die Sympathie von Charlotte Knobloch, der früheren Präsidentin des Zentralrats der Juden, auf diesem Weg. Und ich danke der Familie Hirsch, dass sie bereit war, uns die beeindruckende Lebensgeschichte von Julius Hirsch anzuvertrauen. Hirsch war ein gefeierter deutscher Nationalspieler vom Karlsruher FV , der nach der Machtübernahme von den Nationalsozialisten wegen seiner jüdischen Abstammung drangsaliert wurde und vermutlich in Auschwitz sein Leben lassen musste. Man stelle sich einen unserer heutigen hochverehrten Nationalspieler vor, der ein solches Schicksal erleiden müsste! Es ist unser Auftrag als Fußballer, dass niemand ausgegrenzt oder unterdrückt wird: nicht nur unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, sondern alle Menschen, die in Deutschland leben, gleichgültig, welche Hautfarbe, welche sexuelle Orientierung, welche Religion oder welchen Bildungsstand sie haben.
Besonders eindrucksvoll war für mich der Besuch der Gedenkstätte der Sinti und Roma in Heidelberg. Ich war dort mehrfach, nicht zuletzt, weil auch Sinti und Roma in unseren Fußballstadien immer wieder beleidigt werden. Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, arbeitet im Kuratorium unserer Kulturstiftung mit.
Der Einsatz für Minderheiten ist unsere Pflicht. Es ist leicht, mit der Mehrheit zu laufen, mit der Mehrheit zu schreien und mit der Mehrheit andere niederzuknüppeln. Eine humane Gesellschaft entsteht dadurch, dass man Minderheiten ein
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