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Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Die Zwanziger Jahre (German Edition)

Titel: Die Zwanziger Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theo Zwanziger
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beschimpft, sie hätten drogensüchtig werden können. Was sie rettete, war der Fußball. Fußball integriert mehr, als wir glauben.« Nicht jede »Post von Wagner« kommt an, aber die war gut.
    Eines der bekanntesten Vorbilder für Integration ist natürlich Mesut Özil, dessen Karriere ich seit vielen Jahren aufmerksam verfolgt habe. Er ist sozusagen ein Einwanderer der dritten Generation, denn seine Eltern sind als Kleinkinder mit den Großeltern nach Deutschland gekommen. Özil hatte keinen leichten Start im Profigeschäft, denn nach nur eineinhalb Spielzeiten für Schalke 04, den Verein seiner Geburtsstadt, wechselte er unter unschönen Begleittönen zu Werder Bremen. Damals waren die Bremer klar die Nummer zwei im deutschen Fußball hinter Bayern München, sodass der Wechsel aus sportlicher Sicht durchaus sinnvoll war. Fachleute haben früh erkannt, dass Mesut Özil ein außergewöhnlich talentierter Fußballer ist.
    Ob er aber den Willen und die Beständigkeit hatte, sich weiterzuentwickeln, musste man abwarten. Heute kann man sagen, dass er es geschafft hat. Er hat den großen Sprung zu Real Madrid gewagt und ist dort ebenso tonangebend wie in unserer Nationalmannschaft.
    Aber für den deutschen Fußball ist er nicht nur sportlich eine Galionsfigur, sondern auch als Botschafter für Integration. Sein Beispiel zeigt den jungen Fußballern mit türkischen Wurzeln: Wenn ihr etwas leistet, werdet ihr nicht als Bürger zweiter Klasse behandelt. Das ist seine Botschaft.
    Özil war einer der herausragenden Spieler der U21-Mannschaft, die 2009 den Europameistertitel gewann. Das war sein Durchbruch, und es stellte sich die Frage, ob er für das Nationalteam Deutschlands oder der Türkei spielen würde. Die Türken warben sehr engagiert um ihn, und sein Berater wie auch Werder Bremens Manager Klaus Allofs drängten auf ein Gespräch mit dem DFB , damit er nicht den Einflüsterungen anderer erliege.
    Wir trafen uns in der bereits beschriebenen Bibliothek und versuchten ihm zu vermitteln, dass er durch eine Entscheidung für die deutsche Nationalmannschaft ein wichtiges Zeichen setzen könne für eine gelungene Integration. Wir haben ihm auch gesagt, dass wir es respektieren, wenn sich ein Spieler für das Land seiner Väter und Großväter entscheidet. Seine Antwort war: Ich bekenne mich zu Deutschland und seinen Werten, ich habe für deutsche Junioren-Nationalmannschaften gespielt und möchte auch gerne für die A-Mannschaft spielen. Er wollte nur sicher sein, dass er eine faire Chance bekam und nicht wegen seiner Herkunft im Konkurrenzkampf mit deutschstämmigen Spielern benachteiligt wurde. Diese Bedenken zerstreute Bundestrainer Joachim Löw, der telefonisch zugeschaltet war und Özil versicherte, dass er spielen werde, wenn die Leistung stimmt.
    Nun musste Mesut Özil nur noch ein Qualifikationsspiel für Deutschland absolvieren, damit er nach den Regeln der Fifa »festgespielt« war und für keine andere Nationalmannschaft mehr auflaufen durfte. Die Türken verstärkten noch mal ihre Bemühungen, ihn für ihr Land zu gewinnen, obwohl Özil schon seinen ersten (Freundschafts-)Spiel-Einsatz für Deutschland gehabt hatte – im Februar 2009 beim 0:1 gegen Norwegen. Beim WM -Qualifikationsspiel in Baku gegen Aserbaidschan am 12. August 2009 sollte es dann endlich so weit sein, Mesut Özil saß auf der Ersatzbank und sollte zu gegebener Zeit eingewechselt werden.
    Das Spiel verlief holprig, zur Halbzeit stand es nur 1:0 für Deutschland, doch dann gelang Miroslav Klose das 2:0, und ich schaute ganz unruhig zu Oliver Bierhoff hinüber: Wann kommt er jetzt endlich? Bierhoff grinste und versuchte mich mit einer Handbewegung zu beruhigen: Nur Geduld, das klappt schon. Und in der Tat: Sechs Minuten vor dem Ende kam Özil für Mario Gomez ins Spiel und war damit ganz offiziell deutscher Nationalspieler. Mir ist ein großer Stein vom Herzen gefallen, dass wir dieses außergewöhnliche Talent für unsere Nationalmannschaft gewinnen konnten.
    Die Türken haben ihm seine Entscheidung nicht wirklich verziehen. Das wurde deutlich, als wir uns kurz nach der WM in Südafrika, wo sein Stern endgültig aufgegangen war, im Oktober 2010 in der EM -Qualifikation gegenüberstanden. Mindestens die Hälfte der Zuschauer im Berliner Olympiastadion sympathisierte mit den Türken, und Mesut Özil musste sich gellende Pfiffe gefallen lassen. Ich erinnerte mich an das Uefa -Cup-Endspiel im Mai2009 , als er mit Werder Bremen in Istanbul auf

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