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Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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Can und begab sich zur Theke.

Kapitel 9
    Das Konsulat hatte wieder sein alltägliches Erscheinungsbild angenommen. Die Blumenarrangements waren verschwunden, die Kristallkerzenleuchter weggeräumt und die Türen zum Empfangssaal geschlossen.
    Nachdem er ihre Ausweise kontrolliert hatte, führte ein Militärangehöriger in Galauniform Alice und Daldry in die erste Etage des klassizistischen Gebäudes. Sie gingen einen langen Korridor entlang und warteten darauf, von einem Sekretär empfangen zu werden.
    Sie betraten das Büro des Konsuls. Der Mann sah streng aus, hatte jedoch eine freundliche Stimme.
    »Sie sind also eine Freundin seiner Exzellenz, Miss Pendelbury.«
    Alice wandte sich zu Daldry um.
    »Dieses Mal bin nicht ich gemeint«, flüsterte er ihr ins Ohr, »es handelt sich um den Botschafter.«
    »Ja«, stammelte Alice, während sie sich erneut dem Konsularbeamten zuwandte.
    »Sie müssen ihm recht nahestehen, wenn seine Frau von mir einen so kurzfristigen Termin fordert. Womit kann ich Ihnen dienen?«
    Alice trug ihr Ansuchen vor, der Konsul hörte ihr zu und blätterte dabei in einer Akte, die auf seinem Schreibtisch lag.
    »Angenommen, Miss, Ihre Eltern hätten damals Visa beantragt, so hätten sie sich an die einstigen osmanischen Behörden gewandt und nicht an uns. Vor der Ausrufung der Republik war unsere Botschaft zwar nicht ohne Bedeutung, aber ich sehe keinen Grund, warum die Akte hier hätte bearbeitet werden sollen. Nur das türkische Außenministerium könnte die Unterlagen, für die Sie sich interessieren, in seinen Archiven aufbewahrt haben. Ich bezweifle allerdings – vorausgesetzt, dass diese Art Papierkram überhaupt eine Revolution und zwei Kriege überdauert hat –, dass man dort für eine solch langwierige Suche tätig werden wird.«
    »Es sei denn«, warf Daldry ein, »das Konsulat reicht bei dieser Behörde eine besondere Eingabe ein und weist auf die Tatsache hin, dass die Anfrage von einer sehr engen Freundin der Frau des englischen Botschafters stammt. Sie wären sicher erstaunt festzustellen, dass der Wunsch, einem befreundeten Land und Wirtschaftspartner einen Gefallen zu erweisen, gelegentlich Berge zu versetzen vermag. Ich weiß, wovon ich rede, denn ich habe selbst einen Onkel, der ein enger Berater unseres Außenministers ist, dem Ihr Konsulat, wenn ich nicht irre, untersteht. Ein reizender Mensch übrigens, der mir vorbehaltlos zugetan ist, seit sein Bruder, mein schmerzlich vermisster Vater, so plötzlich verstorben ist. Selbstverständlich würde ich meinem Onkel von Ihrer wertvollen Hilfe berichten unter besonderem Hinweis natürlich auf Ihre unter Beweis gestellte Effizienz. – Jetzt habe ich allerdings den Faden verloren«, fuhr Daldry nachdenklich fort. »Kurz und gut, was ich eigentlich sagen wollte …«
    »Ich denke, ich habe Ihren Gedankengang verstanden, Mister Daldry. Ich werde mit den betreffenden Dienststellen Kontakt aufnehmen und mein Bestes tun, damit Sie Ihre Auskünfte erhalten. Seien Sie jedoch nicht zu optimistisch, ich bezweifle, dass ein einfacher Visaantrag so lange archiviert worden ist. Sie sagten, Miss Pendelbury, die mögliche Ankunft Ihrer Eltern in Istanbul hätte zwischen 1909 und 1910 liegen müssen?«
    »Genau so ist es«, antwortete Alice, der bei Daldrys Dreistigkeit die Röte ins Gesicht gestiegen war.
    »Nutzen Sie Ihren Aufenthalt bei uns, die Stadt ist wunderbar. Sobald ich irgendein Ergebnis habe, schicke ich Ihnen eine Nachricht in Ihr Hotel«, versprach der Konsul und begleitete seine Gäste an seine Bürotür.
    Alice dankte ihm für sein Wohlwollen.
    »Ich gehe davon aus, Ihr Onkel heißt, nachdem er der Bruder Ihres Vaters ist, ebenfalls Daldry?«, fragte der Konsul, während er Daldry die Hand drückte.
    »Nein«, entgegnete dieser unverfroren. »Als Künstler habe ich tatsächlich den Mädchennamen meiner Mutter gewählt, den ich origineller fand. Mein Onkel heißt Finch wie mein verstorbener Vater.«
    Nachdem sie das Konsulat verlassen hatten, kehrten Alice und Daldry in ihr Hotel zurück, um den Tee zu trinken, den der Konsul ihnen nicht angeboten hatte.
    »Heißt Ihre Mutter tatsächlich Daldry?«, fragte Alice, als sie sich in der Bar niederließen.
    »Nein, und es gibt in unserer Familie auch niemanden, der Finch heißt. Hingegen findet sich in jedem Ministerium und jeder Behörde jemand namens Finch. Der Familienname ist überaus weit verbreitet.«
    »Sie schrecken wirklich vor nichts zurück!«
    »Sie sollten mich lieber

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