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Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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abreisen, aber dass wir zumindest anfangen, darüber nachzudenken.«
    »Das ist bereits alles bedacht, aber wenn Sie mich darum bitten, werde ich erneut darüber nachdenken.«
    Die Ankunft von Can beendete ihre Unterhaltung. Es war Zeit, ins Hotel zurückzukehren, ihr Fremdenführer wollte sie an diesem Abend zu einer Ballettvorführung ins Theater führen.
    Im Laufe der langen Tage, an denen sie unterwegs waren zwischen Kirchen, Synagogen und Moscheen, verwunschenen alten Friedhöfen und belebten Geschäftsstraßen, Teesalons und den Restaurants, wo sie jeden Abend gemeinsam aßen und jeder reihum etwas aus seiner Geschichte, einige persönliche Informationen aus seiner Vergangenheit preisgab, söhnte Daldry sich etwas mehr mit Can aus. Inzwischen herrschte zwischen ihnen ein geheimes Einvernehmen, das auf einem Plan beruhte, dessen Urheber der eine und Komplize der andere war.
    Am folgenden Montag rief der Empfangschef Alice zu sich, die von einem erfüllten Tag ins Hotel zurückkehrte. Ein Konsulatsbote hatte am späten Vormittag ein Telegramm für sie abgegeben.
    Alice nahm es in Empfang und sah Daldry aufgeregt an.
    »Also los, öffnen Sie es«, drängte dieser.
    »Nicht hier, gehen wir in die Bar.«
    Sie setzten sich an einen der hinteren Tische, und Daldry winkte dem Kellner ab, der sich nähern wollte, um ihre Bestellung aufzunehmen.
    »Nun?«, fragte er ungeduldig.
    Alice öffnete den Umschlag, las die wenigen Zeilen und legte das Telegramm auf den Tisch.
    Daldry schaute immer wieder von seiner Tischnachbarin zum Blatt und zurück.
    »Wenn ich es ohne Ihre Erlaubnis lesen würde, wäre das sehr unhöflich von mir, aber wenn Sie mich noch eine Sekunde länger warten lassen, ist es grausam von Ihnen.«
    »Wie spät ist es?«, fragte Alice.
    »Siebzehn Uhr«, antwortete Daldry gereizt. »Warum?«
    »Weil der englische Konsul gleich hier sein wird.«
    »Der Konsul kommt hierher?«
    »Das kündigt er in seiner Nachricht an, er hätte einige Informationen für mich.«
    »Nun gut, da er mit Ihnen verabredet ist«, sagte Daldry, »bleibt mir nur, Sie allein zu lassen.«
    Daldry machte Anstalten aufzustehen, aber Alice hielt ihn mit einer Geste zurück. Er ließ sich nicht lange bitten.
    Der Konsul betrat die Eingangshalle, er bemerkte Alice und kam auf sie zu.
    »Sie haben meine Nachricht also rechtzeitig erhalten«, sagte er und zog seinen Mantel aus. Er überreichte ihn zusammen mit seinem Hut dem Kellner und nahm in einem Klubsessel zwischen Alice und Daldry Platz.
    »Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Daldry.
    Der Konsul sah auf die Uhr und entschied sich für einen Bourbon.
    »In einer halben Stunde habe ich direkt nebenan einen Termin. Das Konsulat ist nicht weit, daher dachte ich mir, es wäre das Einfachste, Ihnen die Neuigkeiten selbst zu überbringen.«
    »Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar«, antwortete Alice.
    »Wie ich bereits angenommen hatte, habe ich von unseren türkischen Freunden keinerlei Informationen erhalten. Das dürfen Sie nicht als Böswilligkeit ihrerseits deuten. Ein Bekannter, der in einer Dienststelle des Außenministeriums arbeitet, hat mich vorgestern angerufen und mir bestätigt, dass sie alle denkbaren Nachforschungen unternommen haben, ein Einreiseantrag aus der Zeit des Osmanischen Reichs aber … Er bezweifelt, dass so etwas je archiviert wurde.«
    »Also eine Sackgasse«, schloss Daldry.
    »Ganz und gar nicht«, erwiderte der Konsul. »Ich habe aufs Geratewohl einen meiner Beamten vom Nachrichtendienst gebeten, sich mit Ihrer Angelegenheit zu befassen. Es ist ein junger, aber äußerst effizienter Mitarbeiter, wie er soeben bewiesen hat. Er sagte sich, mit etwas Glück – für uns, versteht sich – hätte es sein können, dass einem Ihrer Elternteile der Pass abhandengekommen ist oder gestohlen wurde. Istanbul ist auch heute kein Hafen des Friedens, aber Anfang des zwanzigstens Jahrhunderts war die Stadt noch unsicherer. Kurz und gut, in diesem Fall hätten sich Ihre Eltern sicher an die Botschaft gewandt, die sich vor der Revolution im Gebäude des heutigen Konsulats befand.«
    »Und hat man ihnen ihre Pässe gestohlen?«, fragte Daldry, der vor Ungeduld bebte.
    »Nein, auch das war nicht der Fall«, antwortete der Konsul und ließ die Eiswürfel in seinem Glas klirren. »Jedoch haben sie während ihres Aufenthalts sehr wohl die Botschaft aufgesucht, und das nicht ohne Grund! Ihre Eltern haben sich in Istanbul nicht 1909 oder 1910 aufgehalten, wie Sie vermutet hatten,

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