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Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Leben der Alice Pendelbury: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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Schnippchen sie ihr zu schlagen beabsichtigen.«
    »Wir erweisen uns gegenseitig einen guten Dienst. Sie brauchte eine Veränderung in ihrem Leben und ich ein Atelier, in dem ich malen kann. Das ist ein fairer Austausch von Gefälligkeiten unter Freunden.«
    »Wenn beide über diese Art Austausch im Bilde sind …«
    »Can, Ihre moralischen Lehrstunden gehen mir extrem auf die Nerven.«
    »Gefällt sie Ihnen nicht?«
    »Sie ist nicht mein Typ als Frau, und ich bin nicht ihr Typ als Mann. Sie sehen also, wir haben eine ausgewogene Beziehung.«
    »Was missfällt Ihnen an ihr?«
    »Sagen Sie einmal, Can, Sie sind nicht zufälligerweise gerade dabei, das Terrain für sich selbst zu sondieren?«
    »So etwas wäre absurd und abscheußlich«, antwortete Can, der offensichtlich betrunken war.
    »Das wird ja immer schlimmer. Ich will versuchen, die Dinge so zu formulieren, dass sie Ihre Gehirnwindungen erreichen. Versuchen Sie, mir nahezubringen, dass Miss Alice Ihr Schwarm ist?«
    »Ich habe mit meinen Nachforschungen noch nicht begonnen, wie sollte ich da bereits einen Schwarm gefunden haben? Und was ist überhaupt ein Schwarm?«
    »Hören Sie doch auf, mich für dumm zu verkaufen und immer dann, wenn es Ihnen in den Kram passt, so zu tun, als verstünden Sie etwas nicht. Gefällt Ihnen Alice, ja oder nein?«
    »Also wirklich, entschuldigen Sie«, brauste Can auf, »immerhin habe ich Ihnen diese Frage zuerst gestellt!«
    »Und ich habe sie beantwortet.«
    »Nein, überhaupt nicht, Sie haben die Frage ausgewischt.«
    »Ich habe mir diese Frage noch nie gestellt, wie sollte ich sie Ihnen dann beantworten können?«
    »Lügner!«
    »Das verbitte ich mir. Im Übrigen lüge ich nie.«
    »Alice gegenüber schon.«
    »Sehen Sie, nun haben Sie sich verraten, Sie haben sie beim Vornamen genannt.«
    »Weil ich vergessen habe, Miss Alice zu sagen? Das beweist gar nichts. Das war eine Gedankenlosigkeit meinerseits, weil ich etwas zu viel getrunken habe.«
    »Nur etwas zu viel?«
    »Sie sind in keinem besseren Zustand als ich!«
    »Da stimme ich Ihnen zu. Gut, da wir beide betrunken sind, frage ich Sie, ob Sie bereit wären für eine Reise bis ans Ende der Nacht?«
    »Wo befindet sich denn Ihr Ende der Nacht?«
    »Am Grund der nächsten Flasche, die ich bestellen werde oder der übernächsten, da kann ich noch nichts versprechen.«
    Daldry bestellte ihnen einen sehr alten Cognac.
    »Wenn ich mich in eine Frau wie sie verlieben würde«, nahm er den Faden wieder auf und hob sein Glas, »wäre der einzige Liebesbeweis, den ich ihr bieten könnte, mich möglichst weit von ihr zu entfernen, und wenn es bis ans Ende der Welt wäre.«
    »Ich verstehe nicht, inwiefern das ein Liebesbeweis wäre.«
    »Weil ich es ihr damit ersparen würde, einem Typen wie mir zu begegnen. Ich bin ein Einzelgänger, ein hartgesottener Junggeselle mit festen Gewohnheiten und Manien. Ich hasse Lärm, und sie ist sehr laut. Ich verabscheue Nähe, und sie wohnt direkt gegenüber von mir. Und letztlich nutzen sich die schönsten Gefühle ab, alles wird banal. Nein, glauben Sie mir, in einer Liebesgeschichte muss man zum richtigen Zeitpunkt gehen, bevor es zu spät ist. In meinem Fall bedeutet ›bevor es zu spät ist‹, sich erst gar nicht zu erklären. Warum lächeln Sie?«
    »Weil ich zwischen uns endlich eine Gemeinheit gefunden habe. Jetzt sind wir schon zwei, Sie und ich, die Sie unsympathisch finden.«
    »Ich bin das Abbild meines Vaters, auch wenn ich so tue, als sei ich genau das Gegenteil. Und nachdem ich unter seinem Dach groß geworden bin, weiß ich, mit wem ich es zu tun habe, wenn ich mich morgens im Spiegel betrachte.«
    »War Ihre Mutter mit Ihrem Vater nie glücklich?«
    »Um Ihnen diese Frage zu beantworten, heißt es, zuvor noch einmal tief in diese Flasche schauen. Die Wahrheit befindet sich an ihrem Grund, den wir noch nicht erreicht haben.«
    Drei Cognacs später, als das Restaurant schließen wollte, bat Daldry Can, eine Bar ausfindig zu machen, die dieses Namens würdig war. Can schlug vor, ihn in ein Lokal in der Stadt zu führen, das erst am frühen Morgen schloss.
    »Das ist genau das, was wir brauchen«, rief Daldry aus.
    Sie gingen die Straße entlang, wobei sie sich an den Trambahnschienen orientierten. Can torkelte auf der rechten Schiene und Daldry auf der linken. Als sich eine Straßenbahn näherte, warteten sie trotz der vielfachen Klingelzeichen, die der Fahrer gab, bis zum letzten Moment, bevor sie die Schienen

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