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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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lauter, bis …
    … eine Explosion von Popmusik alles in tausend Stücke zerspringen ließ. Mit einem spitzen Schrei richtete ich mich im Bett auf. Ich zappelte heftig, um mich von meiner Bettdecke zu befreien, in die ich mich so verheddert hatte, wie es absichtlich nie möglich gewesen wäre. Der Radiowecker auf dem Nachttisch spielte Musik und zeigte sieben Uhr früh.
    Mit einem Fausthieb brachte ich ihn zum Schweigen und ließ mich keuchend zurück aufs Bett fallen.
    Die alten Griechen glaubten, so hatte ich im Internet gelesen, dass die Träume, die dem Aufwachen vorangehen, sehr nah an der Wahrheit liegen. Es sind die, die direkt von den Göttern kommen.
    Beim Frühstück war meine Mutter nicht da: Sie war sehr früh aus dem Haus gegangen, wegen eines Reiki-Kurses, der bis Sonntagabend dauern würde. Sie hatte es in den vergangenen Tagen mehrmals angekündigt, aber ich hatte es trotzdem vergessen. Also saß ich mit meinem Vater alleine am Tisch und fühlte mich wie bei einer Röntgenuntersuchung.
    Am Ende konnte ich einfach nicht mehr an mich halten. »Papa, stimmt irgendwas nicht?«
    Er runzelte die Stirn. »Das wollte ich dich gerade fragen.«
    Ich wollte schon antworten, dass ich in ganz ausgezeichneter Verfassung sei, tat es dann aber doch nicht: Fünf Minuten vorher war ich im Spiegel einer grauenerregenden Erscheinung begegnet.
    »Ich habe nur schlecht geschlafen. Die Schule ist stressig im Moment, ein mündlicher Test nach dem anderen.«
    Er nickte. »Das tut mir leid.« Er schwieg eine Weile. »Ich habe gedacht, dass wir an Ostern ein paar Tage verreisen könnten. Wenn du Lust hast. Irgendwohin, wo es warm ist.«
    Ich nickte und starrte konzentriert auf meinen Kaffee. »Ja. Das wäre schön.«
    Bis Ostern war es noch ein Monat. Bis dahin konnte ich schon längst tot sein. Oder verrückt geworden.
    In der Schule merkte auch Irene sofort, dass ich kurz vor einem Zusammenbruch war. Sie hatte sogar Tränen in den Augen, und ich fühlte mich, als hätte sie mir eine Ohrfeige gegeben.
    »Veronica, du kannst nicht so weitermachen und mir nicht sagen, was mit dir los ist. Lass mich doch bitte endlich wissen, ob ich dir irgendwie helfen kann. Wenn es dir schlecht geht, geht es mir genauso schlecht, kapierst du?«
    Ich schlug die Hände vors Gesicht, um zu verbergen, dass ich ebenfalls den Tränen nah war. »Es ist alles so kompliziert …«
    »Hat dieser Ivan etwas damit zu tun?«
    Ich hatte eigentlich sofort verneinen wollen, aber dann zwang ich mich doch, nicht zu lügen, wenigstens dieses eine Mal. »Ja, auch er hat damit zu tun. Wir haben wieder Kontakt miteinander.«
    »Und?«
    »Und … ich weiß es nicht. Wir haben eben noch mal miteinander gesprochen. Er mag mich, so viel ist klar, aber … Wie gesagt, es ist einfach alles so kompliziert.«
    Irene starrte mich an, mit dem unglücklichsten Gesicht, das ich je an ihr gesehen hatte. Dann, als ihr klar wurde, dass ich einfach nicht weitersprechen konnte, holte sie tief Luft und umfasste meine Hände mit den ihren.
    Ich schüttelte den Kopf. »Es ist nicht, dass ich dir nicht vertraue, Irene, nur …«
    »Scht!« Sie legte mir einen Finger auf den Mund, und als ich die Augen zu ihr hob, lächelte sie mich an. »Veronica, ich bin für dich da. Immer. Wenn du Lust hast, zu reden. Wenn du keine Lust hast, zu reden. Das ist alles. Aber …« Sie runzelte die Stirn. »Aber hüll dich nicht in Schweigen, wenn du glaubst, dass ich dir helfen kann. Wenn ich etwas für dich tun kann, dann musst du mir das sagen. Verstanden?«
    Ich nickte, legte meine Arme um sie und zwang mich zu einem Lächeln.
    Der Vormittag in der Schule zog sich endlos in die Länge, ich füllte ihn damit aus, die ganze Zeit an Ivan zu denken, an den Conte und an Regina. Ich nahm kaum wahr, dass Elena und Susanna immer noch fehlten.
    In der letzten Stunde hatten wir Sport, und heute war Hochsprung dran. Als die Stunde endlich zu Ende war, bot ich mich freiwillig an, die Stangen und Matratzen ins Lager der Sporthalle zu räumen, während die anderen sich umziehen gingen. Ich wollte einfach für fünf Minuten allein sein und meine Ruhe haben.
    Ich stapelte ein paar Dinge zusammen und trug sie ins Lager. Als ich in die Turnhalle zurückkam, stand Angela in der Tür. Ich blieb ebenfalls stehen.
    Sie hatte noch ihre Sportsachen an, war also noch gar nicht im Umkleideraum gewesen, sondern meinetwegen zurückgekommen.
    Wir musterten uns gegenseitig. Wie stellte sie es nur an, dass ihre Haare sogar nach

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