Die zwei Monde: Roman (German Edition)
leider haben die jüngsten Entwicklungen in unserer Beziehung es unabdingbar gemacht.«
Es stürmten so viele verschiedene Impulse auf mich ein – schreien, flüchten, ihn attackieren –, dass sie sich gegenseitig behinderten und ich am Ende gar nichts tat: Ich blieb einfach wie gelähmt auf der Schwelle stehen. Als er sich mir zuwandte, versuchte ich verzweifelt, diesen Augen auszuweichen, von denen ich wusste, dass sie so viel Macht über mich hatten. Aber es gelang mir nicht.
Wo waren eigentlich meine Eltern? War er in unsere Wohnung eingedrungen, ohne dass sie es gemerkt hatten? Oder hatten sie es doch gemerkt und er … Nackte Angst schnürte mir die Kehle zu.
»Es ist nicht meine Absicht, dir Unbehagen zu bereiten«, fuhr er fort, »noch schwebt mir vor, irgendeine Form von Gewalt anzuwenden.« Er lud mich mit einer Geste ein, einzutreten. »Im Gegenteil, ich bin hier, damit wir beide, du und ich, zu einer Befriedung kommen können.«
Ich bewegte mich nicht vom Fleck. Seine Sprache war von Neuem formell und antiquiert geworden, wie damals, als wir uns gerade kennengelernt hatten, und inzwischen war mir klar, dass er damit eine besondere Freundlichkeit zur Schau stellen wollte.
»Es kann durchaus sein, dass du keine Möglichkeit hattest, die ganze Komplexität dessen zu verstehen, was gestern passiert ist, und ich …«
»Ich bin der Überzeugung, dass ich voll und ganz verstanden habe«, unterbrach ich ihn. Meine Stimme klang fester, als ich gehofft hatte, und das gab mir Kraft. »Sie haben versucht, mich dazu zu bringen, Ivan zu töten.«
»Aber nicht, bevor ich dir den Grund dafür erklärt hatte.« Sein Ton verriet nicht das kleinste Zeichen von Beunruhigung. »Er ist dein Feind. Er ist ein Feind von allem, was du jetzt repräsentierst.«
»Das sind Sie auch! Sie haben mich genauso getäuscht wie er! Wo sind überhaupt meine Mutter und mein Vater?«
Der Conte hob eine Augenbraue. »Getäuscht? Ich habe dir nie etwas anderes gesagt als die Wahrheit.«
»Und genau damit haben Sie mich getäuscht!«
Er ließ einen langen Seufzer hören. »Du erkennst die großen Zusammenhänge nicht, Veronica. Du bemühst dich nicht, das Bild im Ganzen zu sehen, in dem du nur eine Figur darstellst. Was, glaubst du, kannst du ohne meine Unterstützung schon tun? Das Wüten des Wolfs kontrollieren?«
Ich antwortete ihm lediglich mit einem vernichtenden Blick.
»Der Wolf ist ein Bruchstück des Chaos, das Form angenommen hat am Ursprung der Welt. Sein Instinkt ist von derselben Kraft gewebt, die die Gestirne umeinanderkreisen lässt. Sein Hunger ist der Hunger der Jahrtausende, der weder Zweck noch Zeit kennt. Du bist nur ein Mädchen, das noch keine achtzehn Winter gelebt hat.«
»Sie haben versucht, den Wolf zu benutzen, um zu töten. Mich zu benutzen, um zu töten. Sie wollen uns beide beherrschen.«
»Und wäre das nicht für jeden von uns eine vorteilhafte Lösung?« Der Conte machte eine weite Geste mit der Hand. »Meine Kunst kann das Untier in Ketten halten, wenn sie auf deinen Willen zur Zusammenarbeit rechnen kann: ein Ergebnis, das du allein nicht erreichen kannst, auch wenn du dir das einzureden versuchst. Du weißt, dass ich kein grausamer Mann bin: Ich werde für dich sorgen.«
»Wie Sie es mit Regina getan haben?« Der Gedanke an dieses arme Mädchen, das Sklavin im Hause des Conte war, machte mich unglaublich wütend.
»Ich beschütze sie vor dem, der ihr wehtun will.«
»Und Sie verfügen über sie ganz nach Belieben! Sie benutzen ihre seherischen Fähigkeiten, zwingen sie dazu, in der Zeit vor- und zurückzuwandern, wann immer es Ihnen passt, und Sie hatten auch keine Skrupel, sie hinaus auf die Straße zu schicken, um mich zu suchen – sogar in der Nacht, als die ganze Schattenwelt bereit war, sie zu jagen!«
Der Blick des Conte blieb unerschütterlich. »In einer Situation zum gegenseitigen Vorteil muss jeder seinen Teil beitragen.«
»Ist es das, was ich in Ihrem Hause werden sollte? Ein weiteres Haustier? Ein Spürhund, der Medhelan und Kraft-Orte für Sie ausfindig macht, ein Bluthund, den Sie auf Ihre Feinde hetzen können?« Ich ballte die Fäuste und bleckte die Zähne. »Ich werde niemals Ihre Sklavin sein, Conte Gorani. Ich werde niemals Ihre Mörderin sein.«
»Dann wirst du die Sklavin des Wolfes sein. Merkst du nicht, wie sehr er inzwischen Teil von dir geworden ist? Schau dich an: Sogar jetzt in diesem Moment erlaubst du dem Untier, Besitz von dir zu ergreifen.«
Ich machte
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