Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
Vom Netzwerk:
Dinge.
    Ich war drauf und dran, an ihnen vorbeizustürmen, die Augen starr nach vorn gerichtet und ohne sie eines Blickes zu würdigen, aber im letzten Moment überlegte ich es mir anders: Hatten sie etwa schon so viel Macht über mich, dass ich mich nicht mehr traute, sie anzusehen, wenn mir danach war?
    Während ich sie überholte, drehte ich mich zu ihnen um und bedachte sie mit einem langen Blick, so gleichgültig wie nur möglich, als würde ich meinen Vater imitieren.
    Angela erwiderte einen Moment lang meinen Blick und wandte sich dann mit äußerster Gelassenheit wieder ab, ohne dass ihr verhasstes Lächeln auch nur einen Sekundenbruchteil verrutscht wäre. Susanna fixierte mich über ihre Brille hinweg, das Gesicht so ausdruckslos wie eine Maske. Elena hingegen senkte leicht den Kopf und flüsterte den anderen etwas zu: Susanna verzog daraufhin keine Miene, aber Angelas Lächeln wurde einen Tick breiter und die anderen drei Mädchen brachen in Gelächter aus.
    Ich kam mir vor, als wäre ich auf ein Stromkabel getreten. Ich blieb abrupt stehen und drehte mich zu ihnen um.
    »Und?«
    Die drei Grazien starrten mich an, während ihren Freundinnen das Lachen im Halse stecken blieb.
    »Wenn ihr mir etwas zu sagen habt: Hier bin ich und höre euch zu.« Die Worte waren unkontrolliert aus mir herausgesprudelt wie Wasser aus einem aufgedrehten Wasserhahn. »Na los, ich bin ganz Ohr!«
    Keine von den dreien öffnete den Mund, aber sie sahen mir alle direkt in die Augen. Die anderen traten einen Schritt zurück, als würden sie einerseits nur allzu gern verschwinden, sich aber nicht trauen, dies ohne Erlaubnis zu tun.
    Ihr Schweigen brachte mich umso mehr in Rage. »Also, was ist? Ich habe keine Ahnung, was ihr euch in den Kopf gesetzt habt, ihr drei. Aber wenn ihr was zu sagen habt, dann sagt es mir ins Gesicht.«
    Schweigen.
    »Und? Fehlt es am Mumm oder am Hirn?«
    Susanna öffnete mit versteinerter Miene den Mund, aber Angela brachte sie mit einem Blitz aus ihren himmelblauen Augen zum Schweigen.
    Stattdessen war es Elena, die lächelnd das Wort ergriff, sich wie eine Katze gebärdend, die gerade eine Maus zwischen den Pfoten hält.
    »Hast du was gegen uns, Meis?«
    »Ob ich was gegen euch habe? Ihr habt was gegen mich !« Ich hatte es mit zu lauter und schriller Stimme gesagt. »Und ich würde gerne wissen, warum. Aber noch besser wäre es, wenn ihr einfach aufhören würdet mit eurem Gekicher, dem Geglotze und dem dämlichen Geflüster: Na los, ich will wissen, was Sache ist!«
    Elenas Lächeln wurde breiter und fieser denn je. »Du solltest wirklich etwas gegen deinen Verfolgungswahn tun, Meis. Ich kann ja verstehen, dass du dich für sehr wichtig hältst, von deinem Standpunkt aus gesehen, aber hier hat kein Mensch über dich gesprochen, und angesehen hat dich auch keiner.« Sie schwieg einen Moment. »Allerdings jetzt, wo du’s sagst: Heute ziehst du wirklich mehr Aufmerksamkeit auf dich als sonst, vor allem deine Haare.«
    Instinktiv fasste ich mir mit einer Hand an den Kopf. Eine Bewegung, die ich nicht rechtzeitig stoppen konnte.
    Zum ersten Mal zeigte Susanna die Andeutung eines Lächelns, die anderen kicherten.
    »Ich hab dich nicht mehr so in Schwierigkeiten gesehen mit deinem Look seit … seit meinem Geburtstagsfest.«
    Ich schluckte, mit völlig ausgetrocknetem Mund. Unser Wortwechsel hatte inzwischen dazu geführt, dass andere Schüler stehen geblieben waren und uns zuhörten, darunter auch welche aus unserer Klasse.
    »Na komm, mach doch nicht so ein Gesicht«, drängte Elena, jetzt strahlender denn je. »Willst du einen Beweis, dass keiner was gegen dich hat? Sag mir, wann du ein bisschen Zeit hast, dann komm ich persönlich zu dir nach Hause und helfe dir mit deinem Outfit. Vielleicht sogar mit den Haaren.«
    Das Gelächter war unerträglich laut geworden.
    Ich nutzte den verbleibenden Rest von Wut, um meine Muskeln so anzuspannen, dass ich mich gerade noch umdrehen und die Schule verlassen konnte, ohne zu wanken oder gar völlig zusammenzubrechen. Als ich endlich draußen war, flüchtete ich in einer Geschwindigkeit, die ich nicht für möglich gehalten hätte.
    Um die Wahrheit zu sagen: Ich kam zwar zu Hause an, ohne auch nur eine Träne zu vergießen; aber das war auch schon der einzige Sieg, den ich an diesem Tag zu verbuchen hatte.
    Meine Mutter war – Gott sei Dank – nicht da. Ich aß irgendwas zu Mittag, was nach Pappe und Asche schmeckte, und verbrachte den Nachmittag in meinem

Weitere Kostenlose Bücher