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Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
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wie eine Peitsche. In diesem Moment erreichte meine Wut ihren Höhepunkt und betäubte mich wie ein lautes, entsetzliches Heulen.
    Dann stieß der Alte einen Schrei aus, und auch die anderen Männer rannten schreiend aus der Grotte, während ich spürte, wie ich weggerissen und weit hinausgeschleudert wurde in die Dunkelheit.

K apitel 11
    Sonntag, 15. Februar, und Montag, 16. Februar
    Abnehmender Mond
    I ch wachte am nächsten Morgen auf und es war Sonntag. Draußen schien die Sonne. Ob nun wegen des Traumyogas oder nicht, ich konnte mich bis in die Details an meine nächtliche Vision erinnern.
    Ich stand auf und setzte mich sofort an den Computer, aber auf der Google-Seite wusste ich nicht, wonach ich suchen sollte. Aufs Geratewohl probierte ich es mit einem guten Dutzend Wortkombinationen, von denen einige – wie ich zugeben muss – nicht besonders intelligent waren: »Vorgeschichtliche Rituale«, »Höhlenriten«, »in Häute gekleidete Männer«, »Männer mit Schlammmasken« …
    Ich war schon drauf und dran, mich geschlagen zu geben, als ich unter den Suchworten »Jungen, mit Blut gezeichnet« auf eine Seite stieß, die von jungen Männern handelte, deren Stirn mit Ziegenblut befleckt und anschließend mit einem Wollbüschel getrocknet wurde. Ein Schauer lief mir den Rücken herunter.
    Ich las den gesamten Text und fuhr von dort aus mit der Recherche fort, sodass ich immer noch am Bildschirm klebte, als meine Mutter mich zum Mittagessen rief: Um nicht unterbrechen zu müssen, ließ ich sie durch die geschlossene Tür wissen, dass ich noch zu lernen hatte und später essen würde. Es war zwei Uhr nachmittags, als ich mich endlich ausloggte, müde, benommen, aber um eine wichtige, erhellende Sicherheit weiter: Das, was ich im Traum gesehen hatte, gab es wirklich .
    Oder besser, es hatte es gegeben: und zwar vor zweitausend Jahren, im Römischen Reich.
    Der Ritus nannte sich Lupercalien und wurde einmal im Jahr, immer am 15. Februar, im Lupercal gefeiert, einer Grotte am römischen Palatin-Hügel. Ein Mythos besagt, dass es sich dabei um genau die Höhle handelte, in der Romulus und Remus von der Wölfin gesäugt worden waren, die die beiden adoptiert hatte. Andere Quellen besagten, dass es sich um eine später entstandene Legende handele, an die nicht alle Forscher glaubten: Die wahren Ursprünge sowohl des Ortes wie des Kultes waren unbekannt, aber zweifellos sehr, sehr alt.
    Man vollzog diesen Ritus zu Ehren des Gottes Lupercus, den heute praktisch niemand mehr kennt: Einige der Gelehrten vermuteten, dass es sich um eine Gottheit der Wälder und der Orte der Wildnis handelte, vielleicht sogar um einen Gott aus prähistorischer Zeit, und dass der Ritus dazu diente, das Vieh vor angreifenden Wölfen zu schützen.
    Aber schon zu Lebzeiten der lateinischen Autoren, die von dem Ritus berichteten, war jeder Bezug zu den Wölfen verschwunden, abgesehen vom Namen, in dem das lateinische Wort lupus für Wolf steckt. Die Zeremonie selbst hatte sich in einen Fruchtbarkeitsritus verwandelt: Ein Zusammenschluss von Priestern, auch Luperci genannt, opferte in der Grotte eine Ziege und benutzte ihr Blut, um zwei junge Männer damit zu zeichnen, welche auf diese Weise ebenfalls in die Priesterschaft aufgenommen wurden. Dann schnitten die Luperci die Ziegenhaut in Streifen und gingen, fast nackt, hinaus auf die Straßen der Stadt, wobei sie alle Frauen und Mädchen, die ihnen begegneten, mit den Riemen schlugen. Die Frauen, so schien es, boten sich ihnen freiwillig für die Schläge dar, denn man glaubte, dass die Schläge mit diesen heiligen Riemen ihnen viele Kinder bringen würden.
    Unter dem missbilligenden Blick meiner Mutter holte ich mein inzwischen erkaltetes Mittagessen ins Zimmer und begann, immer noch grübelnd, zu essen. Allein schon die Beschreibung des Ritus war bizarr und beunruhigend, und so völlig anders als alles, was ich ansonsten über das antike Rom gehört hatte. Männer, die sich in frisch abgezogene, noch bluttriefende Tierhäute hüllten und auf der Straße umherliefen, um auszupeitschen, wen auch immer sie auf ihrem Weg trafen … Sogar mir, die ich nicht besonders viel Ahnung von Geschichte hatte, war klar, dass diese Zeremonie aus einer sehr fernen Vergangenheit kommen musste und sicher weit älter war als die gepflasterten Straßen und die Marmortempel der Römer.
    Nach allem, was ich gelesen hatte, hatte er sich weit länger als jeder andere heidnische Ritus gehalten und sogar das Aufkommen des

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