Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Die zwei Monde: Roman (German Edition)

Titel: Die zwei Monde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Tarenzi
Vom Netzwerk:
hören?«
    Ihm zuliebe sagte ich Ja.
    Bei so alten Dingern erwartete ich etwas schrecklich Langweiliges. Aber aus den Lautsprechern dröhnte ein wirklich hörbarer, schneller und rhythmischer Song.
    »Was ist das? Das kommt mir total bekannt vor …«
    »Klar doch: Das ist ›Eye of the Tiger‹ von Survivor.«
    Ich sah ihn an und schüttelte den Kopf.
    »Komm schon, Veronica, das kennt doch jeder, es ist der Soundtrack zu einem echt berühmten Film aus dem Jahr … na ja, jedenfalls ein paar Jährchen, bevor wir beide geboren sind.«
    Er lachte, und ich lachte mit. Sein Lachen war wirklich ansteckend.
    Die folgende Viertelstunde werde ich wohl nicht so leicht vergessen: die Rockmusik aus den Achtzigern, die in voller Lautstärke aus den Lautsprechern hämmerte, die Lichter Mailands, die am Fenster vorbeiflitzten, und Ivan, der durch die Straßen flog, gelbe Ampeln ignorierend, um Haarnadelkurven biegend, ohne abzubremsen, und ein paarmal sogar über den Gehsteig ausweichend – wie ein Verrückter. Aber ein Verrückter, der die Situation unter Kontrolle hatte, denn wir stießen kein einziges Mal irgendwo an und provozierten kein größeres Durcheinander als hier und da etwas Protestgehupe.
    Ziemlich bald schaute ich nicht mehr nach draußen, sondern konzentrierte mich ganz auf die Musik; was im Übrigen auch Ivan tat, der mehr damit beschäftigt schien, auf dem Lenkrad den Rhythmus zu klopfen und leise mitzusingen, als damit, die Straße im Blick zu haben.
    Ich ertappte mich dabei, wie ich ihn beobachtete, den Blick nach links gerichtet, aber das Gesicht geradeaus, damit es unbemerkt blieb: Sein Profil wurde immer wieder schlagartig von der Straßenbeleuchtung erhellt wie von Blitzlichtern eines Fotoapparats. Ich konnte den Blick gar nicht mehr abwenden. Es war irgendwie seltsam, dieses Profil: So ganz anders als die Gesichter der Jungen, die ich zu sehen gewohnt war. Und es war schön. Sehr schön sogar.
    Als er endlich anhielt, brauchte ich ein paar Sekunden, bis mir bewusst wurde, dass wir uns nicht mehr vorwärtsbewegten. Wir waren an meiner Straße angekommen; die Uhr auf dem Armaturenbrett zeigte 19.04 Uhr.
    Er schenkte mir ein entspanntes Lächeln. »Willst du, dass ich dich vor der Haustür absetze, oder ist es dir lieber, wenn deine Mutter nicht sieht, wie du aus dem Auto eines Unbekannten steigst?«
    Ich schluckte, im Versuch, meine Stimme am Zittern zu hindern. »Lass mich ruhig hier aussteigen.«
    »Zu Befehl.«
    Ich sah ihn an.
    Er lächelte schon wieder. »Sieht man sich im Schwimmbad?«
    »Ja.«
    »Montag?«
    »Vielleicht.«
    Er lachte. »Veronica kennt die Zukunft nicht.«
    Wie sonderbar, so etwas zu sagen. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte.
    Wir zögerten beide einen langen Moment, dann öffnete ich ruckartig die Wagentür und rutschte heraus.
    »Ciao.«
    »Ciao.«
    Ich sah ihm nach, wie er davonfuhr.
    Beim Abendessen störte mich das Geplauder meiner Mutter nicht einmal besonders. Anschließend versuchte ich ein wenig zu lernen – auch wenn es mir völlig absurd vorkam, den Samstagabend über den Schulbüchern zu verbringen. Dann las ich noch ein Manga und ging schlafen.
    Auf meinem Nachtschrank lag immer noch das Buch über Traumyoga aus dem Regal meiner Mutter. War es die Mühe wert, einen Versuch zu machen?
    Schaden konnte es sicher nicht.
    Ich las nochmals die Seiten, die erklärten, wie man sich entspannte und in einen mentalen Zustand versetzte, der geeignet war, die eigenen Träume zu kontrollieren und sich an sie zu erinnern. Dann löschte ich das Licht, streckte mich im Bett aus und versuchte, die Instruktionen in die Tat umzusetzen: lange und regelmäßige Atemzüge, den Geist ganz auf die Atmung konzentrieren und auf ein einfaches Mantra, das endlos wiederholt wurde, und zwar begleitet von der Visualisierung eines weißen und leuchtenden Symbols, das sich auf meiner Brust, in Höhe des Herzens öffnete.
    Die Übung zog sich hin, eine Minute nach der anderen, und schon nach Kurzem wurde mir bewusst, dass ich gegen den Schlaf kämpfte, um weiter das Mantra wiederholen zu können: Wenn es schon sonst nichts nützte, dann war es offensichtlich ein gutes Mittel, um garantierte Schlaflosigkeit zu gewährleisten.
    Ich machte noch ein bisschen weiter, dann schlief ich endlich ein. Doch nicht so wie die anderen Male. Ich hatte das Gefühl, ganz langsam in einen dunklen und nachgiebigen Raum wegzusacken, der aber nicht beengend war. Es war eher, als würde ich zwischen weichen, schwarzen

Weitere Kostenlose Bücher