Die Zweierbeziehung
verschonte.
Insbesondere in hysterischen Ehen fiel immer wieder auf, dass die Männer die außerehelichen Liebschaften ihrer Frauen erstaunlich gelassen hinnahmen. Keiner drohte deswegen mit Scheidung und bekämpfte die Liebschaft aktiv. Die Liebschaft bot den Männern Distanz von ihren Frauen, bestärkte sie in ihrem Märtyrer- und Heiligenstatus und befreite sie vor sexuellen Anforderungen. Sie betrachteten die außereheliche Beziehung nicht als ernsthafte Gefahr ihrer Ehe, da sie sich bezüglich liebevoller Besorgtheit um die Frau und Opferwilligkeit unersetzlich fühlten und deshalb nicht befürchteten, von ihren Frauen verlassen zu werden.
8.5. Die Funktion der Kinder im Paarkonflikt Kinder im Paarkonflikt
Durch die Einbeziehung der Kinder kann der Ehekonflikt zum Familienkonflikt ausgeweitet werden. Um der ehelichen Konfrontation auszuweichen, wird die Spannung der Dyade auf ein größeres System übertragen. Die Familie agiert den Konflikt als Ganzes aus. Unter dem Stress kann eines der Kinder erkranken, wahrscheinlich dasjenige, das sich am meisten in den Konflikt hatte einziehen lassen. Die Familie organisiert sich neu um das kranke Kind herum und lässt sich von dessen Krankheit ganz in Anspruch nehmen. Die Eltern müssen sich gar nicht mehr mit ihrem Ehekonflikt auseinandersetzen, obwohl innerhalb der Familie ein gemeinsames heimliches Einverständnis darüber besteht, dass der eigentliche Konflikt zwischen den Eltern liegt. Es besteht aber eine unausgesprochene Übereinkunft, dass der Austrag dieses Konfliktes den Eltern nicht zugemutet werden könne. Das erkrankte Kind bietet sich dann als Ersatzmedium an, in dem der Ehekonflikt ausgetragen werden kann. Dies bedeutet für das Kind teilweise einen narzisstischen Gewinn, da es sich unentbehrlich fühlt und den Eindruck hat, ohne sein Engagement wären die Eltern gar nicht lebensfähig.
Die Ausweitung des Ehekonfliktes zum Familienkonflikt soll hier nur kurz angedeutet werden, da sie das Thema dieses Buches überschreitet und in der Literatur der Familientherapie eingehend behandelt wird (s. bes. S TIERLIN ; M INUCHIN ; B OSZORMENYI -N AGY & S PARK ). Ich beschränke mich hier auf den ehedynamischen Gesichtspunkt. Ein amerikanischer Familientherapeut sagte mir, im Grunde sollte man die Kindertherapie durch Ehetherapie ersetzen, da die Quelle des Familienkonfliktes fast immer ein Ehekonflikt sei. Die Realisierung dieses Grundsatzes scheitere allerdings daran, dass viele Eltern sich nicht zu einer Ehetherapie bereit erklären würden. Ich könnte mir vorstellen, es wirke auch mit, dass viele Therapeuten lieber Kinder als Ehepaare behandeln.
Das Kind kann als Medium dienen, an dem oder über das die Kollusion ausgetragen wird. Statt eines Ehekonfliktes werden dem Psychotherapeuten Divergenzen in den Erziehungsauffassungen angegeben. Jeder Elternteil legitimiert seine Erziehungshaltung als bloß ausgleichende Reaktion auf die Fehlhaltung des anderen Elternteiles. Der eine sagt: «Ich bin so hart mit dem Kind, weil du so weich bist», der andere: «Ich bin so weich, weil du so hart bist.» Der eine: «Ich bin so autoritär, weil du den Kindern alles durchlässt», der andere: «Ich bin so antiautoritär, weil du so autoritär bist.» Der eine: «Ich verlange von den Kindern Verzichtleistungen, weil du so verwöhnend bist», der andere: «Ich bin so verwöhnend, weil du von den Kindern immer Verzichtleistungen forderst.» Der eine: «Ich kritisiere die Kinder, weil du sie so vergötterst», der andere: «Ich vergöttere sie so, weil du sie immer kritisierst.»
Übertriebene Härte des einen führt zwangsläufig zu milderer Erziehungshaltung beim andern, genauso wie übertriebene Verwöhnung des einen dem andern keine andere Wahl lässt, als eine strenge Erziehungshaltung einzunehmen. Die Erziehungsanforderungen werden in einer gewissen Balance an das Kind herangetragen. Nimmt ein Elternteil eine einseitige Extremhaltung ein, so zwingt er den Partner zur Übernahme der ausgleichenden Gegenhaltung, wenn das Erziehungsergebnis in Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen Leitbildern stehen soll. Auch hier entwickelt sich ein Verstärkerkreis, in dem es nicht mehr möglich ist zu sagen, wer der Schuldige wäre.
Verhängnisvoll ist, dass manche Eltern unbewusst das Kind zu Verhaltensstörungen oder Krankheitssymptomen manipulieren, mit denen sie dem Partner in ihrer kollusiven Spannung eins auswischen wollen: «Siehst du, was du mit deiner Haltung
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