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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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angerichtet hast?» Unter gegenseitiger Beschuldigung wird das Kind häufig zum Kinderpsychiater geschickt. Wenn die Klage des Vaters lautet: «Meine Frau verwöhnt die Kinder ganz übermäßig», so ist die eigentliche Frage, inwiefern sich dieser Mann zu kurz gekommen fühlt und sich aus abgewehrter Eifersucht den Kindern gegenüber so schroff benimmt.
    Oder wenn die Frau vorträgt, der Mann ist zu hart mit den Kindern, er kümmert sich viel zu wenig um sie, so stellt sich die Frage, inwiefern die Frau selbst unter der Gefühlskälte und Härte des Mannes leidet und den Eindruck hat, er kümmere sich nicht um sie. Wenn man nicht wagt, für sich selbst direkte Ansprüche zu stellen, so ist es ein bewährter psychosozialer Abwehrmechanismus, andere vorzuschieben, für deren Befriedigung man sich einsetzen will. «Ist euch nicht kalt?» sagt man, wenn man für sich selbst gerne die Heizung anstellen möchte. «Möchtet ihr nicht etwas trinken?» sagt man, wenn man selbst Durst hat.
    Beispiel 22: Ein Paar meldet sich beim Kinderpsychiater, angeblich wegen Meinungsverschiedenheit über die Kindererziehung. Der siebenjährige Knabe weist einen fraglichen frühkindlichen Hirnschaden auf und zeigt Verhaltensschwierigkeiten, die das Paar völlig aus der Fassung bringen. Das Kind steigert sich in Affektausbrüche hinein, in denen es schreit und tobt und außer Rand und Band gerät. Es verhält sich völlig undiszipliniert und lässt sich überhaupt nicht lenken. Mann und Frau werfen sich gegenseitig Erziehungsversagen vor und werden deshalb zur Ehetherapie geschickt, obwohl sie sich keiner Ehekonflikte bewusst sind.
    Als Eheproblematik ergibt sich im Erstinterview eine anal-zwanghafte Kollusion, in der der Mann sich als Ordnungshüter und Autorität mit absolutem Gehorsamsanspruch aufspielt und die etwas infantile Frau sich ihm vordergründig zwar widerstandslos unterwirft, ihn aber durch Nachlässigkeit, Passivität und Faulheit ärgert. Dem direkten Austrag des Partnerkonfliktes wird von beiden Seiten ausgewichen und der Konflikt auf die Erziehung des Kindes verschoben. Der Mann, der in Kriegsverhältnissen aufgewachsen ist, will die harte, militärische Erziehung durchsetzen, die Frau aber seine Autorität untergraben, indem sie dem Kind hinter seinem Rücken alles durchlässt.
    Die Symptombildung gibt einerseits dem Mann Recht, dass man dem Kind (und damit auch der Frau) Schranken setzen und es disziplinieren muss. Aber auch die Frau profitiert von den Verhaltensstörungen des Kindes, weil der Mann dadurch gezwungen wird, sich mehr um die Kinder zu kümmern und sich dabei als ohnmächtiger Versager auszuweisen. Sie führt ihn in seinem autoritären Verhalten ad absurdum, indem sie ihm über das Verhalten des Kindes zeigen kann, dass er diesem – aber auch ihr gegenüber – zu hart, engstirnig und stur ist. Sie schaukelt die Reaktionen des Kindes heimlich auf, indem sie sich ganz mit dessen Affektausbrüchen identifiziert.
    Die Verhaltensstörungen des Kindes verhindern, dass sich das Paar direkt mit seiner ehelichen Spannung auseinandersetzen muss.
    Beispiel 23: Im bereits auf Seite 171ff. erwähnten
Beispiel
 – ebenfalls eine Kollusion der sicherheitspendenden Abhängigkeit – identifizierte sich der Mann, Student der Pädagogik, mit progressiven Ideologien. Obwohl er theoretisch die Emanzipation der Frau forderte, beanspruchte er zu Hause die Respektierung seiner patriarchalischen Autorität. Da er studienhalber viel zu Hause war, nützte die Frau die Gelegenheit, den Kindern in seiner Anwesenheit alles durchzulassen und sie heimlich zu ermuntern, wie kleine Teufel herumzulärmen, bis es den Pädagogen in seiner Studierstube vom Stuhl hob, er zornentbrannt in den Korridor stürzte und die Kinder anschrie. Zerknirscht zog er sich alsbald wieder von den erschreckten Kindern zurück und brütete über Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung, während die Frau sich ins Fäustchen lachte. Auch hier benützte die Frau die Kinder, um den Mann in seinem autoritären Herrschaftsanspruch zu Fall zu bringen, ohne sich ihm direkt stellen zu müssen.
    Nicht selten will man den Partner in die Stellung des Strafenden und Bösen manipulieren, um sich bei den Kindern umso eher die Position des Beliebten zu erwerben. Oder man versucht, den Partner eifersüchtig zu machen, indem man sich den Kindern übertrieben zuwendet und den Partner vernachlässigt oder das Kind in den Eigenschaften besonders fördert, in denen

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