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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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dispensierte also das Paar von der Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Ehekonflikt und entlastete beide Partner von der Vorstellung, durch eigenes Versagen zum Ehekonflikt beizutragen.
    Beispiel 19:
Der Geliebte als prestigeerhöhendes Statussymbol:
Die Ehe eines kleinen Angestellten war unglücklich. Seine Frau, eine schwarzlockige Schönheit, hatte ihn angeblich nur geheiratet, weil sie sich aufgrund frühkindlicher Traumatisierungen und schlechten Selbstwertgefühls keinen besseren Mann zugetraut hätte. In ihrem Geltungsdrang fühlte sie sich in der Ehe unbefriedigt, vor allem wenn sie sich mit ihren Geschwistern und früheren Freunden verglich, die unterdessen Karriere gemacht hatten und in wohlhabenden Verhältnissen lebten, während sie sich von ihrem Mann immer noch in einem alten VW -Käfer herumfahren lassen musste und sich alljährlich höchstens ein Kleid leisten konnte. Ihrem Mann gegenüber geriet sie in zunehmende Gereiztheit und erniedrigte ihn in der Hoffnung, ihn damit zu höheren Berufsleistungen anzutreiben, jedoch ohne Erfolg. Er reagierte lediglich mit zunehmender Impotenz. Um etwas Geld dazuzuverdienen, nahmen sie einen Untermieter auf, einen deutschen Arzt. Es kam bald zu einer intimen Liebschaft mit voller Kenntnis des Mannes. Die Frau fühlte sich durch diese Beziehung aufgewertet, konnte mit dem Geliebten geistreiche Diskussionen führen und fand in den sexuellen Beziehungen volle Erfüllung. Der Mann war froh, dass die Frau zufriedener war und ihn jetzt eher in Ruhe ließ. Die Frau dachte nie an Scheidung, weil sie sich bei ihrem Ehemann sicherer fühlte und den Eindruck hatte, diesem Arzt nicht gewachsen zu sein. Der Mann tröstete sich damit, dass er als kleiner Schweizer bezüglich sprachlichem Ausdrucksvermögen einem Berliner gegenüber natürlich auf verlorenem Posten stehe. Er überhöhte die Distanz zum Geliebten dauernd, indem er diesen zur Unvergleichbarkeit hochstilisierte.
    Beispiel 20:
Die Geliebte als trennender Riegel in einer narzisstischen Kollusion:
In einer narzisstischen Ehe verfolgte die Frau den Mann seit der Heirat mit dem dauernden Verdacht, er werde ihr untreu. Ihr Vater hatte seine Gattinnen immer wieder betrogen und war dreimal verheiratet gewesen. Die Frau hatte von Anfang an größtes Misstrauen gegenüber der Ehebeziehung und beteuerte immer wieder, ihr Mann sei der einzige Mensch, dem sie je vertraut habe. Es wäre für sie ganz schrecklich, wenn er dieses Vertrauen enttäuschen würde. Sie verehrte ihren Mann, idealisierte ihn, engte ihn aber mit ihren Idealisierungen immer mehr ein, sodass er zunehmend das Bedürfnis bekam, aus den Verpflichtungen, welche ihre Erwartungen bedeuteten, auszubrechen, um er selbst zu sein. So kam es tatsächlich zur außerehelichen Liebschaft. Die Frau überschüttete ihn nun mit Vorwürfen und fühlte sich in ihrem Misstrauen bestärkt. Er hatte ein schlechtes Gewissen, doch war es ihm unmöglich, die Geliebte aufzugeben, weil er sich damit selbst aufgegeben hätte. Für ihn war die Beziehung zur Geliebten ein trennender Riegel zwischen seiner Frau und ihm. Durch die Geliebte spürte er sich klarer von der Frau abgegrenzt und mit ihr konfrontiert. In der Therapie wurde es auch deutlich, dass die Frau, obwohl sie anscheinend die Liebschaft aufs heftigste bekämpfte, sich dauernd so verhielt, dass sie diese verewigte. Als sich der Mann ernsthaft von der Geliebten trennen wollte, telefonierte diese in Anwesenheit der Frau mit ihm und drohte mit Selbstmord. Sogleich forderte die Frau, dass er sich jetzt um die Geliebte kümmern müsse und sie nicht im Stich lassen dürfe, worauf die Liebschaft erneut durch die Aktivität der Frau weitergeführt wurde. Die langdauernde Unzugänglichkeit der Frau gegenüber Deutungen ihres Verhaltens wies darauf hin, dass sie selbst die ungetrübte Intimität einer Zweierbeziehung nicht ertragen hätte und die Situation dauernd so konstellieren musste, dass sie den Mann mit Vorwürfen wegen der erlittenen Enttäuschung überschütten konnte.
    Beispiel 21:
Die Geliebte als nährende Ersatzmutter:
In einer oralen Kollusion suchte der liebesbedürftige Mann, der sich von seiner Frau nicht ausreichend mit Zärtlichkeiten gesättigt fühlte, Trost bei einer wesentlich älteren Freundin, bei der er gelegentlich auch schlief. Die Ehefrau war wohl etwas eifersüchtig, gesamthaft gesehen aber ganz froh, dass er sie nun mit seinen bodenlosen Ansprüchen an Zuwendung, Zärtlichkeit und Umsorgung

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