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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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deutlichsten durch deren Auflösung in der Therapie. Oft kommt es dabei zur Freisetzung bisher verdrängter außerehelicher Phantasien, die deshalb als so angsterregend erlebt werden, weil diese Patienten die Befriedigung einmal zugelassener Wünsche nicht aufzuschieben vermögen und sich wehrlos ihrem Trieb ausgeliefert fühlen, was die Ehe gefährden und mit einem Objektverlust einhergehen kann. Im Laufe der Therapie werden dann nicht selten außereheliche Kontakte eingegangen, auch wenn das vom Therapeuten in keiner Weise angestrebt wird. Diese außerehelichen Beziehungen werden oft provokant dem Partner mitgeteilt, um sich von eigenen Schuldgefühlen zu entlasten und um dem Partner die Kontrolle über die zugelassenen Phantasien zu übertragen. Er soll verantwortlich dafür sein, dass man es nicht zu weit treibt und sich in zulässigen Grenzen hält. Der Partner reagiert meist mit Eifersucht und moralisierender Einengung. Da aber der Patient sich in der Therapie zu größerer Autonomie ermuntert fühlt, beginnt er sich nun gegen den Partner zu wehren. War die Ehe zuvor monoton, spannungsarm und ganz auf die Symptombildung zentriert, so kommt es nach Wegfall des Symptoms zum Ehezerwürfnis. Wir sehen dann besonders deutlich, wie die Krankheit beiden Teilen gedient hat, die Ehe in engem Rahmen spannungsfrei zu halten. Wenn der bisherige Symptomträger seine Krankheit aufgibt, kann sein Partner sich besonders beunruhigt fühlen. Er fürchtet um seinen Einfluss und seine überlegene Stellung, versucht sich eine Zeitlang zu behaupten mit Drohungen, der Patient werde nächstens noch kränker werden, werde der Hospitalisation in einer «Irrenanstalt» bedürfen oder unter Vormundschaft gestellt werden. Dann folgt eine Phase der Niedergeschlagenheit, in welcher der Partner durchblicken lässt: «Krank warst du mir lieber.» Er fürchtet, der ehemalige Patient werde sich von ihm lösen. Nicht selten bricht nun bei ihm eine Symptomkrankheit aus. Solche Therapieabläufe konnte ich vor allem bei Herzneurotikern beobachten, die bei uns in stationärer Psychotherapie standen, wobei ich mich bemüht hatte, den Partner ebenfalls in die Therapie mit einzubeziehen. Mit dem Wahrnehmen der verdrängten Phantasien und einem Zuwachs an Autonomie trat jeweils die Symptombildung beim Patienten zurück, die Ehe wurde aber zunehmend gespannt, wie in folgendem Beispiel:
    Beispiel 25: Eine 31-jährige Frau, Mutter von zwei Kindern, wurde uns zur stationären Psychotherapie zugewiesen wegen schwerer Angstneurose mit herzphobischen Symptomen und Platzangst. Sie litt bereits seit acht Jahren an der herzneurotischen Symptomatik und war deswegen in Behandlung verschiedener Internisten und Psychiater gewesen. Zweimal war sie in psychiatrischen Kliniken hospitalisiert gewesen, ohne dass die Symptomatik je wesentlich hätte beeinflusst werden können. Die stationäre Behandlung war indiziert, weil die Patientin nicht mehr in der Lage war, ihre Wohnung zu verlassen.
    Die Krankheit war ausgebrochen, als die Patientin von einem Arzt wegen Angina untersucht worden war. Der Arzt, ein schöner Mann, habe angeblich dabei anzügliche Bemerkungen fallengelassen. Als derselbe Arzt auf Hausbesuch bei einer Nachbarin weilte, brach bei der Patientin der erste Angstanfall aus, in dem sie panikartig zu diesem Arzt flüchtete. Die Patientin war seit zehn Jahren verheiratet mit einem Bäcker, mit dem sie während Jahren gemeinsam ein Geschäft geführt hatte, das sie dann aber wegen ihrer Erkrankung aufgeben mussten. Seither betätigte sich der Mann als Vertreter. Er wirkte äußerlich als Playboy im Gegensatz zur Patientin, die ein biederes, wenig vorteilhaft aussehendes Hausmütterchen war. Die Patientin war eifersüchtig auf ihren Mann, der ihr immer wieder ehelich untreu war.
    Im Laufe der stationären Behandlung wurde die Patientin zunehmend von außerehelichen Phantasien beunruhigt. Sie ließ sich in Beziehungen zu Mitpatienten ein, was vom Mann zunächst hämisch kommentiert und abschätzig ins Lächerliche gezogen wurde. Die Patientin blühte aber zunehmend auf, wurde autonomer und begann sich dem Mann gegenüber zu behaupten. Sie tat dies allerdings in wenig konstruktiver Weise. Vielmehr agierte sie, indem sie ihn zur Eifersucht provozierte, wo sie nur konnte. Der Versuch einer Ehetherapie in der unterdessen manifest gewordenen Ehekrise führte leider nicht weiter. Der Mann fixierte sich auf seine Position des überlegenen Weltmannes und versuchte

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