Die Zweierbeziehung
Zustand des Verdrängtseins als Dauerregung bestehen und kann sich nun nicht mehr in einer ihm angestammten affektiven Gesamtgestalt und auf einen Partner bezogen äußern. Der Affekt verläuft jetzt im Inneren des Organismus «autoplastisch», das heißt, er richtet sich libidinös, aggressiv und selbstdestruktiv auf den eigenen Körper. Aus Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit gibt es das Individuum auf, seine affektive Aufmerksamkeit auf äußere Objekte zu richten, um diese – alloplastisch – zu verändern oder von diesen Befriedigung zu suchen, vielmehr richtet sich diese jetzt auf den eigenen Körper und macht diesen zum Fokus einer narzisstischen Regression.
M ITSCHERLICH spricht von einer zweiphasigen Abwehr:
Die erste Phase
ist diejenige der
neurotischen Affektbewältigung
mittels Phantasieleistungen im Sinne halluzinatorischer Wunscherfüllung und Omnipotenzvorstellungen. Die Objektbeziehungen sind neurotisch geprägt im Sinne von neurotischen Ansprüchen und Abwehrhaltungen. Eventuell kommt es hier auch zu einer psychoneurotischen Symptombildung. Psychoneurosen sind eine auf Empfindungen und Gedanken reduzierte Erkrankungsform, die die Desomatisation (S CHUR ) und damit den Sekundärprozess aufrechterhält. Genügen nun aber die neurotischen Verdrängungsmechanismen zur Bewältigung einer personalen Krise nicht, so erfolgt jetzt in einer zweiten Phase die Verschiebung in die Dynamik körperlicher Abwehrvorgänge.
Die zweite Phase
ist die Phase der
psychosomatischen Symptombildung unter
gleichzeitigem Verschwinden mancher Abwehrhaltungen. Schwere neurotische Fehlhaltungen treten im Bewusstsein und im manifesten Verhalten zurück. Es stellt sich eine Einförmigkeit der Reaktion, eine Charaktermonotonie ein. Ein Teil der Neurose verändert sich also und geht unter. Das psychoneurotisch deformierte Verhalten reicht zur Aufrechterhaltung eines Anpassungsgleichgewichtes nicht mehr aus. Die direkt auf das Objekt gerichtete Aktivität wird aufgegeben.
Durch Resomatisation (S CHUR ) kommt es zu einer Entschärfung des konflikterregenden Affektes, der jetzt im Symptom ersatzbefriedigt wird, das heißt, die Befriedigung des libidinösen Anspruchs verschmilzt mit dem Strafbedürfnis für dessen Befriedigung. Durch die Resomatisation kann die Verdrängung verstärkt werden, und damit wird verhindert, dass die Beziehungsperson mit dem abgewehrten Affekt in Kontakt kommt.
Die Symptombildung kann als eine regressiv verlaufende Abwehrleistung des Ich betrachtet werden, die ihm einen primären Krankheitsgewinn verschafft. F REUD schrieb: «Das Ich hat damit erreicht, dass es widerspruchsfrei [d.h. konfliktfrei] geworden ist, es hat sich aber dafür mit einem Erinnerungssymbol belastet, welches als unlösbare motorische Innervation oder als stets wiederkehrende halluzinatorische Sensation nach Art eines Parasiten im Bewusstsein haust» ( GW I, Seite 63). Die zur Symptombildung aufgewendete energetische Leistung des Ich führt zu einer Verarmung desselben an Besetzungsenergie. Sein Interessenbereich wird eingeschränkt. Als Entschädigung für die Schwächung der Ich-Funktionen kann der psychosomatisch Kranke stützende, tragende und fürsorgende Maßnahmen seiner Umwelt mobilisieren, was als sekundärer Krankheitsgewinn bezeichnet wird (M EERWEIN ).
Die zweiphasige Abwehr nach M ITSCHERLICH lässt sich nun zwanglos auf die Psychosomatik bei Partnerkonflikten übertragen.
Wenn es den Partnern nicht mehr gelingt, einen Konflikt mit den ihnen vertrauten psychologischen Mitteln, mit direkt aufeinander gerichteten Verhaltensweisen zu bewältigen, sie aber nicht die Möglichkeit sehen, sich voneinander zu distanzieren oder in Ersatzphantasien auszubrechen, so kann der Konflikt auf Körperebene ausgetragen werden.
Wenn sich also die Spannung verbal nicht bewältigen lässt, weicht das Paar in dieser hoffnungslosen Situation in die «Organsprache» aus und somatisiert den Konflikt. In der Dyade vollzieht sich derselbe Wandel, wie wir ihn für das Individuum aus der psychoanalytischen Beschreibung zitierten:
Wo zuvor neurotische Verhaltens- und Beziehungsformen vorherrschten, tritt jetzt in der Dyade Ruhe und «Normalisierung» der Beziehung ein. Das Paar schränkt sich ein auf eine Welt der Krankheit.
Diese Beobachtung wurde von R ICHTER am Beispiel der angstneurotischen Familie – unter dem Stichwort «Sanatorium» – und zusammen mit B ECKMANN am Beispiel der Herzneurose beschrieben. Die Symptombildung schafft
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