Die Zweierbeziehung
blieb sie ihr Leben lang unglücklich verheiratet, hat sie eine schwere Schwangerschaft auf sich genommen, blieb sie in ihrer beruflichen Karriere behindert, leidet sie an Erschöpfung und Migräne usw. Oft fangen solche Mütter die Kinder, indem sie ihnen einen bestimmten Verhaltenskodex aufdrängen: «So kannst du deiner Mutter gegenüber nicht empfinden; so undankbar bist du nicht; du wirst diesen Wunsch deiner Mutter nicht abschlagen können; ich wusste, dass du an mich denken wirst.» Das Kind wird auf die Paradoxie eingeschliffen: «Ich bin nur ich selbst, wenn ich nach dem Bild der Mutter bin, wenn ich aber so bin, wie ich mich fühle, bin ich nicht ich selbst.» Jede Abweichung vom Bild, das die Mutter von ihm entwirft, wird entwertet und bestraft. Die Mütter empfinden das Kind nur als Ausläufer ihrer selbst, was sich auch in ihrem Sprachstil zeigt, indem das Kind immer nur auf die Mutter bezogen dargestellt wird: «Da ist es
mir
am Morgen im Bett geblieben und ist
mir
nicht in die Schule gegangen, da sagte ich ihm: ‹Jetzt stehst du
mir
aber auf!› Da wollte es
mir
nicht einmal etwas zum Frühstück nehmen …»
Unter solchen Bedingungen kann das Kind kein eigenes Selbst entfalten. Jeder Mut zur Identität wird entwertet. Die Folgen sind Selbstunsicherheit, schwaches Selbst, unsichere Selbstgrenzen, Minderwertigkeitsgefühle usw.
Vor allem bleibt beim Kind eine tiefe Enttäuschung, ein Hass und eine Ablehnung gegen jede «Liebe». Liebe wird als Taktik erlebt, andere auf sich zu verpflichten, sie auszunützen, auszubeuten und zu kontrollieren. So kann das Kind auch kein reifes Über-Ich entwickeln, da es alle Werte und Normen nur als etwas ihm Aufgedrängtes erleben kann und ethisch-moralische Maßstäbe nicht in Selbstverantwortung und Freiheit erwerben und erproben darf. Oft fühlen sich diese Kinder nur als Schmuckstück der Mutter: der Sohn mit seinen beruflichen Leistungen, die Tochter als bildhübsche Prinzessin, Balletteuse oder Kinderstar. Das Kind hat all das zu werden und zu erfüllen, was die Mutter selbst in ihrem Leben nicht realisieren konnte. Das Kind ist, wie R ICHTER (1967) beschreibt, das Substitut des Selbst der Mutter.
Die Ablösung von der narzisstischen Mutter ist außerordentlich schwierig; es bestehen magische Vorstellungen wie gegenüber einem alttestamentarischen Gott. Sie ist eine unsichtbar wirkende, allmächtige und allgegenwärtige, die totale Hingabe fordernde Gestalt, deren Rache vernichtend und grausam ist. Da sie jeden Gedanken kennt, darf man nicht einmal in der Vorstellung an ihr Kritik üben, sondern muss, um die Existenzgrundlage zu erhalten, ein idealisiertes, unangetastetes Bild von ihr bewahren. Man ist nicht denn durch sie, mit ihr und in ihr, sie ist die Spenderin allen Lebens, sie verfügt über Leben und Tod. Gerade wegen des magischen Charakters der Beziehung zu ihr wird man die Mutter auch nicht los, wenn man in ferne Länder zieht oder wenn sie längst gestorben ist.
Unter der Nachwirkung solcher Erfahrungen ist es für den Narzissten sehr gefährlich, als Erwachsener eine intime, langdauernde Zweierbeziehung einzugehen. Selbst dann, wenn sich der Partner nicht wie die narzisstische Mutter verhält, kann er oft nicht anders als wie diese erlebt werden, als jemand, der einen zum Funktionserfüller der eigenen Vorstellungen manipulieren will, oder als jemand, den man selbst nur als Funktion von einem selbst wahrnimmt.
Andere, vor allem Narzissten mit Verwahrlosungsstruktur, hatten in der frühesten Kindheit überhaupt keine stabile Beziehungsperson. Ihnen wurde von einer Mutter kein «falsches Selbst» aufgedrängt, sie wurden vielmehr in ihrer Existenz gar nie richtig beantwortet. Sie erlebten es nie, von einer Beziehungsperson für wichtig erachtet zu werden, sie hatten nie jemanden, der sich ernsthaft und nachhaltig um sie bemühte und sich mit Einfühlung um sie kümmerte. Sie retteten sich über diesen Mangel hinweg durch Rückzug in eine Welt halluzinatorischer Wunscherfüllung, in eine phantastische Traumwelt, deren Mittelpunkt sie bilden, eine Welt, die nur ihnen gehört. Im Endeffekt haben sie dieselben narzisstischen Schwierigkeiten in Partnerbeziehungen wie die von einer Mutter manipulierten Narzissten. Auch sie können den Partner nur als Funktionsträger in ihrer Phantasiewelt erleben und nicht als einen Partner, von dem eigene Aktivität und Initiative ausgeht.
Formen narzisstischer Partnerbeziehungen
Der Narzisst steht bezüglich
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