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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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Beziehungsstörung zur Mutter in der frühen Kindheit und die daraus sich ergebenden Formen von Partnerbeziehungen im Erwachsenenalter.
     
    Narzisstische Charaktere
    Es fallen zwei Grundtypen narzisstischer Persönlichkeiten auf, nämlich die schizoiden Narzissten, die vor allem an einer primär-narzisstischen Störung leiden, und die mehr phallisch-exhibitionistischen Narzissten, bei denen es sich eher um eine sekundär-narzisstische Störung handelt.
    Die phallisch-exhibitionistischen Narzissten finden wir als sozial akzeptierte Form vor allem in der Geschäftswelt, deren Ideologie ihrer Charakterstruktur entspricht: dynamisch-rücksichtslos-selbstbezogen-erfolgreich. Bei Frauen finden wir diese Eigenschaften ausgeprägt vor allem in Berufen des Show-, Mode- und Gastgewerbes. Ihre Sozialkontakte sind auf Erhöhung ihres Selbstwertgefühles ausgerichtet.
    Schon beim ersten Zusammentreffen verstehen es phallische Narzissten, das Gespräch gleich so zu konstellieren, dass der Partner in wenigen Minuten über ihre Attribute informiert ist, nämlich über ihren phantastischen Sportwagen, ihre Villa mit Hallenbad, ihre Freundin mit Pelzmantel, ihr ausgefallenes Hobby, ihre Sammlungen – sie zählen zu den größten und kostbarsten des Landes – sowie ihre Kontakte mit den höchsten Persönlichkeiten, mit denen sie Duzfreunde sind. Sollten sie geruhen, sich nach den Attributen des Gesprächspartners zu erkundigen, so rührt das nicht von echtem Interesse her, sondern dient ihnen dazu, einen spüren zu lassen, dass man sich ihnen gegenüber rettungslos im Hintertreffen befindet. Verfügt man aber zufälligerweise über gewisse Außergewöhnlichkeiten, die geeignet sind, ihr Interesse zu wecken, so wird man von ihnen gleich als Schmuckstück übernommen. Sie möchten dann von einem hören, dass man ein ganz verrückter Kerl ist, ein spinniger Outsider, ein Revolutionär, ein Kraftmeier, Perverser oder Genialer. An der nächsten Party können sie erzählen: «Kennen Sie meinen Freund Hans? Ich meine den berühmten Sowieso, was der für ein irrer Typ ist …» Meist wird einem von ihnen aber einfach die Stellung des staunenden Zuhörers zugeteilt. Es bleibt einem nur die Möglichkeit, am Genuss, den ihnen all ihre Attribute bereiten, ehrfurchtsvoll teilzunehmen oder aber sich in Gegenposition zu stellen und ihre Prahlerei abzulehnen.
    Damit ist bereits ein wesentlicher Zug über den Beziehungsstil gesagt: Phallische Narzissten brauchen den geselligen Kontakt, denn sie sind darauf angewiesen, von anderen bewundert zu werden. Die Beziehungspersonen sind aber als Individuen bedeutungslos. Sie sind keine Personen mit einem Zentrum eigener Initiative und Aktivität (K OHUT ). Sie existieren vielmehr nur funktionell, nämlich um entweder den Glanz des grandiosen Narzissten widerzuspiegeln oder um sich dem Narzissten als Schmuckstück anzubieten. Kann man keine dieser Definitionen für sich selbst akzeptieren, so besteht keine Basis für eine Beziehung, man ist inexistent. Ist der Narzisst ein wortgewandter und scharfzüngiger Spaßvogel, so gelingt es ihm oftmals, eine ganze Gesellschaft in Resonanzschwingung zu versetzen, wobei sich ein Zustand von Gleichklang mit Auflösung individueller Grenzen einstellen kann, ein kollektives Hochgefühl, ein ozeanisches Fest. Manch kreischendes Lachen der Zuhörer entspringt allerdings der Angst, das Wohlbefinden des Narzissten durch Versagung der Gefolgschaft zu stören und sein Wohlwollen zu verscherzen. Oft lauert der Narzisst darauf, einen Feind oder Gegenspieler aufzuspüren, den er durch Hohn und Kränkungen in erschreckender und gemeiner Art umzulegen versteht.
    Narzissten haben ein ungesichertes Selbstgefühl und können den Partner nicht als eigenständiges Individuum wahrnehmen, sondern nur als «narzisstisches Objekt», als eine Erweiterung des eigenen Selbst, als etwas, das ihr Selbst auffüllt, ergänzt, schmückt und erhöht.
    Im Grunde sehnen sich Narzissten nach dem primär narzisstischen Urzustand zurück, in dem es noch keine Trennung zwischen Subjekt und Objekt gab, wo alles noch eins war im Urgrund, im Mutterleib. Da ihnen dieses totale Einssein mit dem Objekt nicht gelingt, lassen sie in einer Objektbeziehung nur die Aspekte zu, in denen sich das Objekt kongruent zu ihrer Vorstellung und Erwartung verhält. Durch Idealisierung der Beziehungsperson versuchen sie sich diese Illusion zu erhalten und reagieren mit Wut, wenn sich die Diskrepanz zwischen ihren

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