Die Zweierbeziehung
einer intimen Paarbeziehung in einer fast unlösbaren Situation. Seiner Meinung nach gibt es in der Liebe nur zwei Möglichkeiten: Entweder man gibt sich für den Partner auf, oder der Partner gibt sich für einen auf. Es ist ihm unvorstellbar, jemanden lieben zu können, ohne dass einer von beiden auf seinen Standpunkt, seine Meinung und seine Ansprüche zugunsten des andern verzichten muss. Es ist ihm unvorstellbar, dass man sich hart auseinandersetzen und Meinungsverschiedenheiten aufrechterhalten kann, ohne dass deswegen die Liebe in die Brüche geht. Für den Narzissten kann eine intensive Liebesbeziehung nur das totale Einswerden, die Verschmelzung, die völlige Konkordanz sein. Eine solche Verschmelzung muss aber für ein derart ungesichertes Selbst eine schwere Bedrohung sein. Viele Narzissten sind von einer stabilen Zweierbeziehung überfordert, während sie in Gruppen gut funktionieren. Viele bleiben ledig, sind oft nicht «ehefähig» und scheitern, wenn trotzdem eine Ehe eingegangen wird.
Man kann eine Reihe von Formen möglicher Partnerbeziehungen aufstellen, die dem Konzept F REUDS entsprechen, dass narzisstische Objektbeziehungen zwischen Autoerotik und reifer Liebe stehen.
Die erste Stufe ist die phantasierte Partnerbeziehung in der Onanie. Der Partner existiert nicht real, sondern nur in der Vorstellung und Vergegenwärtigung, was quasi die Extremform der narzisstischen Partnerbeziehung ist: Der Partner ist identisch mit dem Bild, das man sich von ihm macht. Man muss sich überhaupt nicht um ihn als eigenständiges, mit autonomer Energie ausgestattetes Wesen kümmern. Er hat keine eigenen Ansprüche, es sei denn, wir erteilen ihm solche. Manche Narzissten bleiben in ihren «heterosexuellen Kontakten» auf dieser Stufe.
Die nächste Stufe ist häufig die Beziehung zu Prostituierten. Narzissten unterhalten oft Sexualbeziehungen ausschließlich mit Dirnen. Die Prostituierte definiert sich in ihrer Berufsrolle als eine Beziehungsperson, die sexuelle Funktionen nach Vorstellungen des Kunden anbietet, ohne dafür die Befriedigung eigener Ansprüche zu fordern, mit Ausnahme finanzieller Entschädigung. Die «Partner» kennen voneinander meist nicht einmal den Namen. Es kommt zu keiner mitmenschlichen Begegnung. Vom Freier ist keine Eroberungsarbeit (B ALINT : «Über genitale Liebe», 1947) zu leisten, er muss sich auf die Prostituierte gar nicht als eigene Person einstellen, sondern ist berechtigt, sich ihrer in rein funktionaler Form zu bedienen.
Bereits etwas näher einer reifen Objektliebe steht die Beziehung des phallischen Narzissten zu seiner Mätresse. Oft, nicht immer, wird auch sie nicht personal wahrgenommen. Sie hat vielmehr dem eigenen Vergnügen und der Selbstbestätigung zu dienen und sich ganz nach den eigenen Wünschen zu richten. Sie muss allzeit strahlend, glücklich und belebend sein. Sie darf sich nur im Sonntagsgesicht zeigen. Sie wird dafür reichlich mit Geschenken abgegolten, das heißt in der Vorstellung des Narzissten «verwöhnt». Eine Seite des Vergnügens, das Narzissten von dieser Beziehung erwarten, ist die Bewunderung durch die Mätresse. Sie sind davon so abhängig, dass sie oft von der Geliebten fast beliebig manipuliert werden können. Wenn die Mätresse dem Narzissten weismachen kann, dass es Ausdruck großartigster Leidenschaft wäre, ihr zu Weihnachten nicht nur einen Pelzmantel, sondern gleich den dazu passenden Sportwagen zu beschaffen, so wird er es tun. Die Beziehung wird definiert mit «no troubles», das heißt, die Mätresse darf keine persönlichen Schwierigkeiten bereiten, keine eigenen Ansprüche stellen, die nicht den Vorstellungen ihres Liebhabers entsprechen. Auch sie ist meist austauschbar und hat rein funktionalen Charakter. Oft wird die Partnerin etwa in der Funktion eines Hundes gewünscht: ganz auf seinen Herrn bezogen, ihm total ergeben, dankbar für alles, was er ihm gibt, freudig wedelnd, wenn er erscheint, traurig, wenn er weggeht, aber all das ohne Forderungen und eigene Ansprüche. Ein berühmter französischer Chansonnier wurde mit 80 Jahren, als er sich mit einer bildhübschen jungen Blondine an der Riviera zeigte, gefragt, ob er denn glaube, dass diese ihn liebe. Seine Antwort: «Wenn ich gern Hummer esse, verlange ich von diesem auch nicht, dass er mich liebt.» Die Geliebte ist ein Schmuckstück, das einen erfreuen soll, ohne dass eine persönliche Begegnung intendiert ist.
Als Vorstufe stabiler Partnerbeziehungen können passagere
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