Die Zweierbeziehung
stellen.
Sie sind oft stark an ihre eigene Mutter gebunden, obwohl sie ihr gegenüber ambivalent sind. Für die Ehebeziehung versuchen sie sich aus der Mutterbeziehung zu lösen, indem sie sich mit der Mutter oder zumindest mit Mutterfunktionen identifizieren. Um den Verlust der Mutter ersetzen zu können, setzen sie sich selbst an deren Stelle und suchen andere so zu behandeln, wie sie selbst von der Mutter behandelt werden möchten. Nicht sie sollen befriedigt werden, sondern sie wollen andere befriedigen. Sie versuchen, ihre eigenen Bedürfnisse nach oraler Passivität zu sublimieren, indem sie diese pflegerisch sozialisieren. Aus ängstlicher Abwehr eigener Bedürfnisse nach Gepflegtwerden suchen sie sich ein Liebesobjekt, das sie in seiner Hilflosigkeit ganz von sich abhängig machen können. Hinter der Unfähigkeit, eigene Ansprüche auf Bedürfnisbefriedigung zu stellen, versteckt sich meist eine triebhafte Maßlosigkeit, eine orale Gier, die als unstillbar abgewehrt wird und auch angsterregend ist, da sie gekoppelt ist mit destruktiver Aggressivität, verzehrendem Neid, reaktiven Schuldgefühlen und schlechtem Selbstwertgefühl. Sie stehen unter dem Eindruck, einer Zuwendung nur um ihrer selbst willen nicht würdig zu sein, sondern sich diese immer mit altruistischen Leistungen verdienen zu müssen. Die Sublimation oraler Gier in pflegerischer Tätigkeit bringt zusätzlich eine soziale Aufwertung und damit einen narzisstischen Gewinn mit sich. Diesen narzisstischen Gewinn finden Pflegecharaktere vor allem in der Größe der Aufgabe, für die sie sich aufopfern wollen, aber auch im Dank, den ihnen der Partner bezeugt. Dankbarkeit ist die einzige Form von Befriedigung, die man ihnen geben kann. Sie ist eine Entschädigung, ja eine Form von zugelassener oraler Befriedigung. Das Pflegen von Hilflosen und die Befriedigung im Aufstrahlen der Gepflegten hat oftmals lustvollen Charakter. Pflegecharaktere bilden zwar das Gegenstück zum oralen Charakter, sie sind aber auch oral fixiert. Im Gegensatz zum oralen Charakter haben sie jedoch eine aktive Abwehr aufgebaut, die sie von einem spendenden Objekt unabhängig macht und sie vor Frustrationen bei erhaltener Bedürfnisbefriedigung schützt.
Im Gegensatz zum oralen Charakter erkranken sie seltener an Symptomen, sondern sind geradezu ein Musterbeispiel der Möglichkeit, sich mittels psychosozialen Agierens im Gleichgewicht zu halten. Dies gelingt umso mehr, als diese Pflegehaltung gesellschaftlich erwünscht ist, mit Status und Anerkennung belohnt wird, obwohl sie in der extremen Ausformung, in der sie andere zu oraler Regression zwingt, für diese pathogen sein kann. Wenn sie aber selbst psychosomatisch erkranken, so handelt es sich meist um schwere Störungen wie Magenulcus oder Anorexia nervosa. Sie sind schwierig zu behandeln, weil sie jede psychotherapeutische Hilfeleistung ablehnen, da sie niemandem zur Last fallen wollen und betonen, der Therapeut sollte seine Zeit anderen zuwenden, die seine Hilfe dringender benötigen. Auch wehren sie die für den therapeutischen Prozess notwendige Regression ängstlich ab.
Als Liebespartner bieten sie sich zur Erfüllung von Pflege- und Mutterdiensten an und wählen einen Partner, dessen aus früheren Frustrationen herrührende orale Gier sie zu stillen versuchen.
Die orale Kollusion
Die orale Partnerwahl
Bei der Partnerwahl ergänzen sich die Erwartungen der Partner in idealer Weise.
Der Partner in Position des Pfleglings
möchte in der Beziehung passiv seine oralen Bedürfnisse befriedigt haben. Er wünscht, beim Partner aufgehoben zu sein und sich von ihm umsorgen und pflegen zu lassen. Er leidet unter der Angst, der Partner könnte auf längere Sicht in seiner pflegerischen Zuwendung erlahmen. Selbst will er keine spendende Mutterfunktionen ausüben, weil er wegen frühkindlicher Frustrationen oder Verwöhnung einen Anspruch auf regressives Nachholen oder Wiederholen stellt, aber auch fürchtet, sich dabei ähnlich wie seine «schlechte» Mutter zu verhalten (Mutter als internalisiertes schlechtes Objekt). Die für sich selbst abgelehnten Mutterfunktionen werden in idealisierter Weise in den Partner verlegt, der dem Bild einer spendenden Idealmutter zu entsprechen hat.
Der Partner in Mutterposition
dagegen sucht in der Beziehung die Aufgabe, jemanden zu retten, zu pflegen und zu umsorgen. Er steht unter der Angst, der Partner könnte ihn als Pfleger plötzlich nicht mehr benötigen oder ihm die dankbare
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