Die Zweierbeziehung
Anerkennung versagen. Er wehrt ängstlich eigene orale Bedürfnisse und Ansprüche ab. Beide erfahren bei der Partnerwahl einen wesentlichen Selbstwertzuwachs: der «Pflegling» durch das hohe Maß an Zuwendung, die er erfährt; die «Mutter» durch die pflegerische Aufgabe, die ihr ein klar definiertes Selbstbild vermittelt.
Die Partner ergänzen sich in ihrer Abwehr: Der «Pflegling» muss sich um die Konstanz der Bedürfnisbefriedigung keine Sorgen machen, weil er spürt, dass «Mutter» diese Aufgabe nicht nur ihm zuliebe übernimmt, sondern damit eigene Anliegen zu erfüllen vermag. «Mutter» muss sich vom «Pflegling» ebenfalls nicht gefährdet fühlen, weil sie spürt, dass dieser sich nicht einfach ihrem Pflegeanspruch beugt, sondern selbst ängstlich um den Verlust der pflegerischen Zuwendung bangt. Die Gefahr eigener Regression auf orale Abhängigkeit scheint somit inexistent.
Auf einen Interaktionszirkel übertragen, lautet die Formel der Partnerwahl:
«Pflegling»: «Ich kann mich so passiv umsorgen lassen, weil du so fürsorglich bist.»
«Mutter»: «Ich kann so fürsorglich sein, weil du so bedürftig bist.»
Die Beziehung ist somit ein Selbstheilungsversuch, bei dem jeder den anderen in dem Abwehrverhalten festhält, das ihm die Heilung eigener Schwierigkeiten zu ermöglichen scheint. Der «Pflegling» drängt den Partner in die Pflegehaltung, die «Mutter» den Partner in regressive Hilfebedürftigkeit.
In der gemeinsamen oralen Fixierung vollzieht also der «Pflegling» eine orale Regression, die «Mutter» eine orale Progression. Regression des einen und Progression des andern sind interdependent.
Umschlag zum oralen Paarkonflikt
Wenn sich Bedürfnisse und Ängste zweier Partner so ergänzen wie Schlüssel und Schloss, so ist nicht ersichtlich, wie es dabei überhaupt zum Konflikt kommen kann. Der Konflikt resultiert aus dem individuell neurotischen Hintergrund und gründet zu einem wesentlichen Teil in der Wiederkehr des Verdrängten.
Der «Pflegling» wird zunehmend von den früheren Zweifeln erfasst, ob der Partner die Erwartungen einer idealisierten Mutter wirklich erfülle oder ob er ihn – so wie früher die eigene Mutter – enttäuschen werde. Alles, was die «Mutter» tut, sagt oder nicht tut und nicht sagt, wird untersucht, ob sich darin nicht der Verdacht bestätigen lasse, dass der Partner nicht der idealisierten, sondern der schlechten Mutter entspreche. Es werden dem Partner Bewährungsaufgaben und die Ansprüche immer höher gestellt, bis der Partner den Ansprüchen nicht mehr genügen kann und man sich deshalb berechtigt fühlt, ihn wie die «böse» Mutter zu verfolgen.
Ein anderer Aspekt liegt darin, dass das regressive Verhalten über längere Zeit hin zu einer Untergrabung des Selbstwertgefühls führt und die Überzeugung vermittelt, in der Position des Nehmenden und Schuldners dem Partner nichts Gleichwertiges bieten zu können. Der «Pflegling» merkt aber zu Recht, dass die «Mutter» ihm keine andere Position zugesteht als diejenige des hilflos Regredierten und dass sie von ihm insbesondere keinerlei eigene Bedürfnisse befriedigen lassen will. Der «Pflegling» fühlt sich von der «Mutter» nicht als gleichwertiger Partner angesehen. Da für ihn aber auch aus eigener Abwehr die Übernahme gebender und spendender Funktionen nicht infrage kommt, fühlt er sich hasserfüllt dazu gedrängt, den Partner mit unermesslicher oraler Gier zu verschlingen und zu zerstören.
Im Sozialverhalten äußert sich das in der Übersteigerung des ursprünglichen Verhaltens bis zur Absurdität:
Der
«Pflegling»
regrediert immer mehr auf orale Anspruchshaltung, gebärdet sich immer fordernder und unersättlicher und verweigert dem Partner die gerechte Anerkennung für geleistete Dienste, aus Wut über die Schuldnerposition, in die er versetzt worden ist, wie auch aus Angst, dieser könnte bei Dankbarkeitsbezeugungen in seinen Pflegebemühungen nachlassen.
Der Partner kann also in diesem Spiele nicht anders als scheitern. Je mehr er sich als «Mutter» anbietet, umso eher wird – in Übertragung früherer Muttererfahrungen – in ihm die «böse» Mutter verfolgt, und umso stärker wird die Kränkung und Angst, von einer derartigen Mutter abhängig zu bleiben. Will sich der Partner aber aus der Mutterfunktion zurückziehen, so fühlt sich der «Pflegling» frustriert und in seinem Misstrauen bestätigt.
Die
«Mutter»
ist zunächst ganz identifiziert mit dem
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