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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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Gespräch mit einer Therapeutin aussprachebereiter als das erste Mal. Er sah für sich keine Möglichkeit, eine eheliche Beziehung grundsätzlich anders zu gestalten, gewährte der Frau jetzt aber die Möglichkeit, sich von ihm definitiv zu trennen. Ein Jahr später waren sie geschieden. Die Frau blühte auf und wirkte jetzt in ihrer Autonomie echt gereift.
    Auf die Besitzebene übertragen, stellt der aktive Partner den Anspruch, den andern ganz zu besitzen. Der passive Partner fühlt sich durch diesen Anspruch gehalten. Oft ist der Passive noch stark an die Eltern gebunden und hat Mühe, sich von diesen abzulösen. Er überträgt den Ablösungskampf nun auf den aktiven Partner, der an seiner Stelle gegen die Eltern kämpfen soll. Dadurch entsteht ein Kampf zwischen den Eltern und dem Aktiven um den Besitz des Passiven. Die Eltern werfen ihm vor, er versuche ihnen das «Kind» zu entziehen. Der Aktive wirft ihnen vor, sie möchten das «Kind» als Besitz bewahren. In diesem Kampf laviert der Passive hin und her, versucht zwischen beiden Seiten zu vermitteln, beide Seiten aber auch gegeneinander aufzustacheln. Er lässt sich aber nicht auf eine klare Stellungnahme festlegen. Gerade damit übt er Macht auf den Aktiven wie auch auf seine Eltern aus.
    Beispiel 8: Ein jüdischer Kaufmannssohn heiratet eine österreichische Jüdin, die ihren Verwandten- und Bekanntenkreis hinter sich lässt, um zu ihrem Mann zu ziehen. Die Mutter des Mannes weist eine possessiv-narzisstische Struktur auf. Sie beansprucht für sich die zentrale Position der Familie, auch nachdem alle sechs Kinder verheiratet sind. Allwöchentlich veranstaltet die Mutter ein Treffen, bei dem vollständiges Erscheinen der Kinder mit ihren Gatten bzw. Gattinnen erwartet wird.
    Der Mann ist das jüngste Kind, kleingewachsen und von geringer Statur, sodass er sich nie mit direkten Aggressionsäußerungen hatte behaupten können, sondern schon früh verfeinerte Kampftechniken entwickeln musste. Seine Frau ist kräftiger und um einen Kopf größer als er. Sie zeigt einen geraden und direkten Charakter, nimmt kein Blatt vor den Mund, schont niemanden, sondern sagt jedem klar und unmissverständlich, was sie von ihm denkt. Heimlich hat der Mann wohl gehofft, durch diese Frau sich von seiner Mutter besser distanzieren und ablösen zu können. Er hat aber gemerkt, dass er in der Ehe Mühe hat, sich dieser Frau gegenüber zu behaupten. Ihm liegt die direkte Angriffsform nicht. Seine Stärke liegt in vordergründigem Nicken und hintergründigem Begehen von Schleichwegen, um seine geheimen Ziele doch noch zu erreichen. Diese unoffene Art des Mannes macht seine Frau rabiat. Sie kanzelt ihn herunter und nimmt ihn in die Finger. Sie kontrolliert all sein Tun. Sie haben miteinander ein eigenes Geschäft aufgezogen, sodass sie dauernd beieinander sind. Kommt es doch einmal vor, dass der Mann alleine essen muss, so gibt sie ihm an, welche Speisen zu welchem Preis er zu sich zu nehmen hat. Immer wieder versucht der Mann, diese Anordnungen zu unterlaufen, was die Kontrolle der Frau erneut verstärkt. Die Frau fühlt sich zu dieser Kontrollhaltung legitimiert, weil der Mann vor der Ehe in Spielkasinos verkehrt und dort Geld verloren hatte und auch jetzt in seiner Geschäftsbuchhaltung eher nachlässig ist. Teilweise ist er froh, dass sie für ihn diesen lästigen Kram erledigt. Und doch ärgert er sich auch über sich selbst, dass er sich nicht aufraffen kann, selbst Kontrolle und Verantwortung zu übernehmen. Die Frau verlangt vom Mann die totale Offenheit, gesteht ihm aber überhaupt keine Phantasien zu, die von einem Ehebild konsequenter Zweisamkeit abweichen könnten. Sie fordert von ihm Bekenntnisse und Gelöbnisse und duldet keine Halbheiten. Damit provoziert sie ihn, ihr immer hintergründig auszuweichen. Der Mann fürchtet die direkte Konfrontation mit der Frau, genießt aber seine heimliche Machtausübung über sie. Insbesondere versteht er es ausgezeichnet, seine Mutter und seine Frau gegeneinander auszuspielen, in seiner Position dauernd hin und her zu lavieren, sich nie auf eine von beiden festzulegen, womit er im Grunde beide Frauen beherrschen kann.
    Als er zum Beispiel von einer Geschäftsreise erst abends um elf Uhr nach Zürich zurückkehrt, wagt er nicht, gleich in die Wohnung zu gehen aus Angst, die Frau werde ihm eine Szene machen. Er beschließt deshalb, noch bis zwei Uhr morgens zu warten, um erst dann, wenn die Frau tief schlafe, in die Wohnung zu

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