Die Zweierbeziehung
Beziehung beschränkte er auf den täglichen Geschlechtsverkehr, aufs Essen und aufs Schlafen. Die übrige Zeit verbrachte er in Wirtshäusern oder bei der Arbeit. Beruflich war er ein tüchtiger und geschätzter Handwerker. Er forderte von der Frau, dass sie ihn um alles um Erlaubnis angehe, und herrschte zu Hause unangefochten, von der Frau diskussionslose Beachtung seiner Vorschriften und absoluten Gehorsam fordernd. Sie fühlte sich neben ihm als minderwertige Sklavin. Bei den täglichen sexuellen Beziehungen blieb sie immer frigid, was dem Mann das Gefühl gab, zu außerehelichen Beziehungen berechtigt zu sein. Die täglichen Sexualbeziehungen waren ein Herrschaftsritual des Mannes über seine Frau.
Der Mann stammte aus einer ärmlichen Familie. Sein Vater war ein brutaler Holzfäller, der zu Hause nie ein Wort gesprochen hatte und sich nur mit der Faust auszudrücken pflegte. Seine Mutter musste ebenfalls mitverdienen. Bevor der Mann die Frau kennenlernte, hatte er ein länger dauerndes Verhältnis mit einer Arztgehilfin, die ihm aber überlegen war, sodass er die Beziehung auflöste. Er wünschte sich für eine Ehe eine Frau, die ihm bedingungslos diente und seine Herrschaftsstellung akzeptierte.
Die Frau wuchs in traumatisierenden Familienverhältnissen auf. Ihr Vater war ein Patriarch voller Gegensätze. Einerseits Mitglied einer Sekte mit fanatisch-religiösen Vorstellungen, andererseits ein Wichtigtuer, kleinkriminell und in späteren Jahren Mitglied eines Nudistenklubs, was in den ländlichen Verhältnissen schockierend wirkte. Die Mutter war eine stille Dulderin, die sich dem Vater völlig unterworfen hatte und sich sogar zur Teilnahme im Nudistenklub zwingen ließ. Die Frau war zu Hause in der Stellung eines Aschenputtels. Der Vater behandelte sie oft in erniedrigender Weise. Insbesondere kontrollierte er in der Adoleszenz ihre Freizeit, um sie vor sexuellen Erfahrungen zu bewahren. Er sagte ihr göttliche Strafen voraus, sofern sie sich seiner väterlichen Autorität zu entziehen versuche.
Die Frau erhoffte sich in ihrem Mann einen Widerpart gegen den übermächtigen Vater. Ihr Mann imponierte ihr als Schläger. So wechselte die Frau von der Unterdrückung durch den Vater in die Unterdrückung durch den Mann. Die Frau wurde vorehelich durch ihren Mann schwanger. Der Mann bot sich an, die Frau zu heiraten, was von ihm her ein Akt des Edelmutes war, der die Frau zu Dankbarkeit und Unterwerfung verpflichtete. Die Partner waren von Anfang an unfähig, miteinander verbal zu kommunizieren. Der Mann verbot der Frau alles, was über Haushaltstätigkeit und Kindererziehung hinausging. Sie durfte nicht nach ihrem Wunsch Sprachkurse besuchen oder Autofahrstunden nehmen. Er aber nahm sich alle Freiheiten heraus. Die Frau fühlte sich sehr unglücklich und drohte mit Scheidung. Der Mann entgegnete, er werde dem zuvorkommen, indem er die ganze Familie erschieße. Bei seiner Charakterstruktur waren diese Drohungen keine leeren Worte. In dieser ausweglosen Situation unternahm die Frau einen Suizidversuch, der sie in unsere Behandlung brachte.
Die Frau hatte ursprünglich gehofft, durch ihren Mann Autonomie gegenüber ihrem Vater zu gewinnen. Sie geriet nun in die Abhängigkeit von ihrem Mann. Sie entzog sich seinem Herrschaftsanspruch aber durch passives Unverpflichtetsein und desinteressierte Gefügigkeit. Sie ließ die Sexualbeziehungen passiv über sich ergehen und schlief meist mitten im Geschlechtsakt ein.
Die Psychotherapie dieser Ehe erwies sich als schwierig. Wir versuchten den Mann in die Behandlung einzubeziehen. Er war jedoch zu einer Mitarbeit nicht motiviert und drängte lediglich auf Wiederherstellung der alten Verhältnisse. Die Frau war durch den Suizidversuch und die nachfolgende stationäre Behandlung äußerlich vom Mann getrennt. Sie machte in der Therapie gewisse Fortschritte zu verstärkter Autonomie, verwendete aber die Freiheit auch zum Eingehen außerehelicher Beziehungen, um mit ihren Liebhabern ein Gegengewicht gegen die Macht ihres Mannes zu schaffen. Die Frau wurde allgemein aktiver und unternehmungslustiger und begann sich etwas zu emanzipieren. Das verschärfte aber die eheliche Spannung. Nach der Rückkehr in die alten Verhältnisse unternahm die Frau bald einen zweiten Suizidversuch, nachdem der Mann mit allen Mitteln das Herrschafts-Untertanen-Verhältnis wiederherzustellen versucht hatte. Diesmal war auch der Mann über den Suizidversuch der Frau verzweifelt und erwies sich im
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