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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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schleichen. Die Frau kann bis zu seiner Rückkehr natürlich nicht schlafen und veranstaltet einen Riesenkrach. Sie fordert von ihm exakte Angaben über seine Eskapade und verdächtigt ihn der schlimmsten Dinge. Er aber weicht ihr aus, weil es ihm peinlich ist, einzugestehen, er habe nur ängstlich im Wagen gesessen und sich die Zeit mit Zeitunglesen vertrieben. Dieses Ausweichverhalten fasst die Frau als Bestätigung in ihren Verdächtigungen auf und stachelt sie an, noch mehr in ihn zu dringen und ihre Kontrollbemühungen allgemein zu verstärken.
    Der Mann kann sich ihrem Anspruch auf lückenlose Zweisamkeit schlecht entziehen, weil sein Vater in der Ehe nie etwas ohne die Mutter unternommen hat und er im Grunde mit seiner Frau in der Ansicht übereinstimmt, dass die Beziehung auseinanderfallen könnte, wenn jedes auf eigene Faust Aktivitäten entwickeln würde, in die der Partner nicht mit einbezogen wäre.
    In der Therapie ist für die Frau die Erinnerung an die Ablösung vom eigenen Vater eine wichtige Erkenntnis. Ihr Vater hat versucht, sie als einziges Kind mit Kontrolle und Unterbindung jeglicher Selbständigkeit zeitlebens an sich zu binden, mit dem Erfolg, dass sie sich auf eigene Faust nach Israel abgesetzt und den Kontakt zum Vater über Jahre abgebrochen hat. Es geht ihr auf, dass die Kontrolle des Vaters die damalige Beziehung nicht gesichert, sondern vielmehr zerstört hat, indem er ihr keine andere Wahl gelassen hat, als sich – im Grunde gegen ihren Willen – ganz seinem Einfluss zu entziehen.
    Der Mann muss lernen, mehr Eigenverantwortung für sein Tun und Denken zu übernehmen, die Frau, das Risiko der Freiheit in der Liebe zu akzeptieren.
     
    Die sado-masochistische Kollusion Sadomasochistische Kollusion
    Die sado-masochistische Kollusion ist lediglich die übersteigerte Form der Herrschafts-Untertanen-Kollusion.
    FREUD wies bereits 1905 in seinen «Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie» darauf hin, dass Sadismus und Masochismus zwei Seiten der gleichen Perversion sind, deren aktive und passive Form sich in veränderlichen Proportionen beim gleichen Individuum finden. «Ein Sadist ist immer auch gleichzeitig ein Masochist, wenngleich die aktive oder die passive Seite der Perversion bei ihm stärker ausgebildet sein und seine vorwiegend sexuelle Betätigung darstellen kann» (G. W., V, 59).
    FREUD hebt die Rolle der Identifizierung mit dem anderen in der Phantasie hervor. Während man im Sadismus dem anderen Schmerzen zufüge, genieße man selbst masochistisch in der Identifizierung mit dem leidenden Objekt. Beim Masochismus versetze sich das passive Ich in der Phantasie an seine frühere Stelle, die jetzt dem fremden Subjekt überlassen ist. Oder der Masochismus wird als gegen die eigene Person gerichteter Sadismus bezeichnet. FREUD beleuchtete den Sado-Masochismus vorwiegend von triebdynamischer Seite, etwa als Triebvermischung zwischen Libido und Aggressionstrieb (Todestrieb).
    Wenn FREUD sagt, das eigentliche Ziel masochistischen Verhaltens sei erst erreicht, wenn man sich dem andern auf Gnade oder Ungnade preisgegeben fühle, so kann man vom ich-psychologischen Standpunkt her darin die extremste Form von Heteronomie, von Rückgängigmachen der Subjekt-Objekt-Spaltung und Wiederherstellung des ungetrennten Ursprungszustandes sehen. FREUD übersah den ich-psychologischen Gesichtspunkt keineswegs: «… man kann behaupten, dass die richtigen Vorbilder für die Hassrelation nicht aus dem Sexualleben, sondern aus dem Ringen des Ichs um seine Erhaltung und Behauptung stammen» (G. W., X, 230).
    Der Sado-Masochismus als sexuelle «Perversion» ist weit weniger häufig als das Quälen und Sich-quälen-Lassen, welches alle Bereiche einer Zweierbeziehung umfasst.
    Regelmäßig kann man bei Sadisten den abgewehrten Masochismus nachweisen, genauso beim Masochisten den verkappten Sadismus. Sadisten leiden unter starken Ohnmachtsängsten, die sie durch überkompensierendes Machtgebaren einzudämmen und zu überwinden suchen. Sie fühlen sich auch bedrängt von Verlassenheitsängsten und Abhängigkeitswünschen. Statt sich in Macht und Abhängigkeit eines Partners zu begeben, suchen sie einen Partner, der sich ihnen ganz ausliefert und sich von ihnen abhängig macht. Wie sehr Sadisten ihre Ohnmacht, Schwäche und Minderwertigkeit überkompensieren müssen, zeigt sich in Darstellungen von Film und Prosa, wo sie als Missgestaltete, Zwerge, Alternde und Kranke auftreten, die den Kitzel ihrer Macht im

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