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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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außerehelichen Beziehung. Er drängt damit den Partner in die Defensive, weil dieser sich jetzt allein verantwortlich für die Aufrechterhaltung der Beziehung fühlt. Dieser agiert Trennungsängste in Form von Eifersucht, verfolgt den Partner in seiner Untreue, kontrolliert ihn und versucht ihn zur Treue zu verpflichten. Je mehr er nun den Partner eifersüchtig verfolgt, umso mehr fühlt sich dieser gedrängt, Autonomie zu beweisen, indem er wegstrebt und sich nicht verpflichten lässt. Je mehr der andere wegstrebt, umso mehr sucht der Eifersüchtige ihn als Besitz zu beanspruchen und ganz in Beschlag zu nehmen. So verstärken die Partner gegenseitig ihre Verhaltensweisen. Der eine sagt: «Ich bin nur so eifersüchtig, weil du so untreu bist», der andere: «Ich bin nur so untreu, weil du so eifersüchtig bist.» Das Krankhafte dieses Spiels zeigt sich in der Art, wie jedes das andere zu seinem Verhalten provoziert. Der Untreue nimmt für sich Offenheit und Ehrlichkeit in Anspruch, weil er zu seinen Untreuephantasien steht, dabei bedient er sich der Offenheit, um sich den Partner zu unterwerfen und ihn zu provozieren, alles zu tun, um die Beziehung vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren. Er trägt die Schilderung seiner Untreue-Erlebnisse oft mit missionarischem Eifer an den Partner heran, scheinbar mit der Absicht, ihn zu einer freieren Beziehung zu bekehren, effektiv mit der Wirkung, dessen ängstlich konservative Haltung zu verstärken. Der Treue nimmt den offiziellen Rechtsstandpunkt ein und vertritt die gesetzliche Moral, durch die der Partner als schuldig zu erklären ist. Er hofft, die Unterstützung der Umgebung zu erhalten.
    Wir finden bei Paaren häufig die Polarisierung in einen progressiv-revolutionären Partner und einen konservativ-bewahrenden Partner. Die Einstellungen der Partner sind aber häufig interdependent. Es ist relativ leicht und ungefährlich, sich als Revolutionär zu gebärden, solange sich der konservative Partner noch genügend um die Erhaltung der Beziehung bemüht. Andererseits treiben aber erzkonservative Partner den andern oft zur Sprengung der engen Fesseln und zum Versuch, die Abhängigkeit zu zerschlagen, um Bewegung und Entwicklung in die Beziehung hineinzubringen. Beim konservativen Partner erzeugt jeder Entwicklungsschritt und jede Veränderung Angst, gegen die anzukämpfen sich der progressive Partner gedrängt fühlt. So neigt in der Ehe der eine Teil zur Bewahrung des Gewordenen, der andere zur Entfaltung und Veränderung. Solange diese Polarisierung nicht ein Ausmaß annimmt, das eine konstruktive Verständigung unmöglich macht, braucht sie sich nicht ungünstig auszuwirken.
    Beispiel 11: Ein Student der Pädagogik und seine Frau stammten aus patriarchalischen Familien, die strenggläubige Mitglieder derselben religiösen Sekte waren. Dort hatten sie sich auch kennengelernt. Sie führten anfänglich eine stark religiös verpflichtete Ehe mit täglichem gemeinsamem Bibellesen und Beten. Das Einhalten des Treueversprechens sowie die Bemühung, den moralischen Ansprüchen der Sekte zu genügen, waren starke Gemeinsamkeiten. Im Laufe seines Studiums geriet der Mann in Kontakt mit progressiven Studentenkreisen und verstrickte sich damit immer mehr in einen Konflikt mit der puritanisch autoritären Weltanschauung, die von seiner Frau beibehalten wurde. Es kam im Laufe der Ehe zu einer zunehmenden Spannung, die sie schließlich zur Teilnahme an einer Ehepaargruppentherapie motivierte. Die Frau erhoffte sich davon die Rückführung des Mannes in den Schoß der Familie. Der Mann erwartete die Bestätigung in seiner emanzipierten Ideologie. Das Paar fiel durch die gemeinsame Autoritätsgläubigkeit gegenüber dem Therapeutenpaar wie auch gegenüber der Gruppe als Ganzem auf.
    Die gegenseitige Verstärkung der pathologischen Fehlhaltungen wurde in der Therapie deutlich: Die Frau agierte ihre Trennungsängste in einer Weise, die die Emanzipationswünsche des Mannes steigern mussten. Sie bot sich als arglose, kleinkarierte Hausfrau und Mutter an, die nichts anderes im Sinn hat als häusliche Idyllik, Zusammensitzen, sich lieb in die Augen schauen, gemeinsam Bücher lesen, in einer von jeglicher Beunruhigung verschonten kleinen Welt. Sie versuchte scheinbar alles zu tun, um dem Mann keinen Anstoß zu geben. Sie diente ihm und umsorgte ihn. Wenn er abends einmal später heimkam, so war sie beunruhigt und vermutete einen schweren Unfall. Sie konnte nicht einschlafen, wenn er nicht bei

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