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Die Zweierbeziehung

Die Zweierbeziehung

Titel: Die Zweierbeziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürg Willi
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Inzestproblematik heraus in diesen Ehen häufig nicht klappt.
    Ist die Frau bedeutend älter als der Mann und diesem gegenüber in Mutterposition, finden wir ein ähnliches Problem. Häufig sind diese jungen Männer weich, kindlich und unselbständig. Die Wahl einer wesentlich älteren Frau wird damit rationalisiert, sie wüssten mit jüngeren Frauen nichts anzufangen, weil ihnen diese zu unreif seien. Auch sie haben in einer Ehe Mühe, das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, und greifen ihrerseits zu verschiedenen Mitteln, die Gefahr der Unterlegenheit abzuwehren. Manche beginnen zu trinken und spielen sich unter Alkohol in der Wirtschaft oder zu Hause groß auf oder dokumentieren ihre Kräfte durch handgreifliche Brutalität. Das Trinken soll einerseits dazu dienen, aus der Bevormundung durch die Frau auszubrechen, um diese aber andererseits gerade damit zu legitimieren und zu verstärken.
    Beispiel 12: Eine 52-jährige Inhaberin einer Reitschule ist mit einem 21 Jahre alten Fotografen seit drei Jahren verheiratet. Der Altersunterschied beträgt 31 Jahre. Es ist ihre dritte Ehe. Zuvor war sie mit einem 13 Jahre jüngeren Mann befreundet, der sie aber betrogen habe, sodass sie aus Trotz ihren jetzigen Mann geheiratet habe. Altersmäßig steht der Mann zwischen ihrer älteren und jüngeren Tochter. Zwei Jahre lang sei die Ehe gut gegangen, dann sei er außereheliche Beziehungen zu jüngeren Frauen eingegangen und sei jeweils wie ein Knabe zur Mutter gekommen, um ihr über diese Erlebnisse zu berichten. Er habe sich in dieser Zeit zum Mann entwickelt, spiele sich darüber hinaus allerdings männlicher auf, als er sei. So habe er versucht, sie herumzukommandieren und sie gar zu schlagen, was sie nicht akzeptieren könne. Vor allem aber habe sie Mühe, ihm seine Ehebrüche zu verzeihen. Während ihre sexuellen Beziehungen anfänglich ordentlich gingen, leide sie jetzt an Verkrampfungen beim Verkehr mit anhaltenden Schmerzen. Dazu komme, dass er sie vor einigen Monaten mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt habe.
    Die Frau macht einen männlichen und emanzipierten Eindruck. Mit strahlenden Augen erzählt sie von ihrem Vater, einem Prachtsmann. Sie selbst wäre lieber ein Mann. All ihre Freunde seien schwächliche und hilflose Männer gewesen, die von ihr geschützt und geführt werden wollten. Im Grunde genommen brauche sie gar keinen Mann. Auch ihr jetziger Mann sei im Grunde genommen weich und kindlich. Da sie ihm ihre Scheidungsabsichten mitgeteilt habe, liege er jetzt trotzig im Bett und verharre im Hungerstreik.
    Einige Tage nach dem Gespräch mit dieser Frau unternahm der Mann seinen ersten Fallschirmabsprung, was offenbar für ihn eine besondere Männlichkeitsprobe war. Prompt brach er sich dabei den Knöchel des rechten Fußes und musste sich in Spitalpflege begeben. Im Gespräch mit mir war er sichtlich bemüht, einen besonders männlichen und erwachsenen Eindruck zu machen. Nach seinen Angaben hing er an seiner Frau, weil ihm jüngere Frauen zu naiv seien und er sich von älteren Frauen eher verstanden fühle. Er drohte mit Suizid, wenn ihn seine Frau verlassen würde. Nach wenigen Einzel- und Paargesprächen willigte aber auch er in eine Scheidung ein.
    Ödipale Gesichtspunkte spielen wohl in jeder Ehe mit. Es wird ein Partner gewählt, weil er dem gegengeschlechtlichen Elternteil gleicht (inzestuöse Gebundenheit, Endogamie [A BRAHAM ]), oder er wird gewählt, weil er ihm eben gerade nicht gleicht (Inzestflucht, Exogamie [A BRAHAM ]). Da die Bindung an den gegengeschlechtlichen Elternteil ambivalent ist, bleibt es auch diejenige an den Partner. Vor allem bei der neurotischen Exogamie, wo der Partner also in bewusster Gegenidentifikation zum Elternteil gewählt wird, um nur ja nicht die Eltern-Kind-Bindung oder die Elternehe zu wiederholen, entpuppt sich dieses Vorhaben immer wieder als Illusion, wie im einführenden Beispiel (Kapitel 4) gezeigt wurde. Wenn die Bindung an den gegengeschlechtlichen Elternteil noch stark ist, so wird der Partner dauernd mit diesem verglichen. Man liebt oder hasst den Partner, weil er der Mutter gleicht, oder man liebt und hasst ihn, weil er gerade nicht der Mutter gleicht. In beidem ist die Mutter der Angelpunkt. Besteht tatsächlich keine Ähnlichkeit des Partners mit dem Elternteil, an den man ambivalent gebunden ist, so kann das einer Wahl aus Vermeidungstendenz entsprechen. Im längeren Zusammenleben übt dann aber ein solcher Partner keine Faszination auf einen aus.

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