Die Zweierbeziehung
Man gerät im Zusammenleben mit ihm nicht in Resonanzschwingung. Eine Frau, die ihren tyrannischen Vater hasst, aber auch von ihm fasziniert ist, wird für ihren korrekten, aber lahmen Ehemann bald nichts mehr empfinden können. Henry Dicks hat die aus einer unbewältigten ambivalenten Bindung an die Eltern resultierende Hass-Liebe besonders klar herausgearbeitet.
Die Kollusionsmuster sind keine Ehekategorien
Vorangehend wurden vier Kollusionsmuster dargestellt, die zeigen sollen, wie zwei Partner aufgrund einer gemeinsam sie beunruhigenden und ihnen meist unbewussten Phantasie sich in einen Konflikt hineinsteigern, der gewisse typische Strukturmerkmale trägt. Die Gefahr besteht nun, dass diese vier Konfliktmuster als Ehetypen oder Ehekategorien aufgefasst werden könnten, in die sich alle Ehepaare einteilen lassen. Eine solche Folgerung könnte sich als einseitig und verhängnisvoll auswirken.
Die vier Kollusionsmuster sind vier dynamische Grundprinzipien, die als solche keine Krankheitseinheiten bilden. Vielmehr muss gesehen werden, dass jedes Ehepaar von allen vier erwähnten Grundthemen betroffen wird, also vom Thema «Liebe als Einssein», «Liebe als Einander-Umsorgen», «Liebe als sicherheitspendende Abhängigkeit», sowie «Liebe als ‹phallisches Imponieren›». Wenn auch alle vier Grundthemen jedes Ehepaar beschäftigen, so wird der Ehekonflikt doch akzentmäßig meist in der Form von nur einem dieser Kollusionsmuster präsentiert. Ich lege den Fokus der Behandlung häufig auf die Bearbeitung dieses einen Kollusionsmusters. Meist zeigt sich im Laufe der Behandlung aber, dass auch die anderen Themen mitwirken. Das Paar vollzieht in der Behandlung eventuell eine Wandlung, regrediert zum Beispiel auf eine orale Kollusion oder progrediert in einen phallischen Rivalitätsstreit. Oder es zeigt sich, dass die sado-masochistische Erregung vor allem dazu diente, sich vom Absacken in ein narzisstisches Loch zu bewahren und sich selbst besser zu spüren und abzugrenzen.
Die Darstellung der hysterischen Ehe bot Gelegenheit zu zeigen, wie in diesem Ehesyndrom die phallisch-ödipale Problematik zwar die Leitthematik ist, wie aber die anderen Kollusionsmuster ebenfalls wichtige Aspekte dieses Ehesyndroms darstellen. So spielt die narzisstische Kollusion in der hysterischen Ehe häufig entscheidend mit: Beide Partner haben ein schlechtes Selbstwertgefühl und eine schlechte Selbstabgrenzung. Bei der Frau zeigt sich die narzisstische Problematik in ihrer übertriebenen Bezogenheit auf die Umwelt, ihre Verschmelzungs- und Identifikationstendenzen, ihr «Außer-sich-Sein». Beim Mann zeigt sich die narzisstische Problematik in seiner Tendenz, nur für die Frau leben zu wollen. Er bietet sich als erweitertes Selbst der Frau an, als eigentliches Substitut ihres Selbst. Die orale Kollusion zeigt sich in der hysterischen Ehe vor allem da, wo die Frau mit unstillbaren Ansprüchen an Pflege, Zärtlichkeit und Zuwendung an den Mann herantritt und der Mann seinerseits seine orale Fixierung durch überkompensierende Mutter- und Pflegetätigkeit sublimieren will. Auch der Reizhunger der Frau, das fast süchtige Bedürfnis, mit immer wieder neuen dramatischen Effekten «gefüttert» zu werden, und das entsprechende Bedürfnis des Mannes, die Affektdramatik der Frau anzuheizen und an dieser zu partizipieren, hat sowohl einen narzisstischen wie auch einen oralen Aspekt. Die anale Kollusion zeigt sich in der hysterischen Ehe bei der Frau in der Intrigenkunst, mit der sie den Mann zu beherrschen sucht, und beim Mann in seiner masochistischen Märtyrer- und Heiligenhaltung, mit der er seinerseits die Frau zu quälen und zu beherrschen versteht.
Wie bereits dargestellt, kann eine phallische Problematik auch scheinbar asexuell ausgetragen werden. Die hysterische Frau macht etwa den Mann in seinen Pflegebemühungen zum Versager (sie «kastriert» ihn diesbezüglich). Umgekehrt kann auch ein bestimmtes Symptom, wie eine Sexualstörung, sehr verschieden begründet sein und muss keineswegs nur eine phallisch-ödipale Problematik sein. So findet sich nicht selten sexuelle Überaktivität bei Männern, die eifersüchtig auf ihre Kinder sind und Angst haben, zu wenig Zuwendung von der Frau zu bekommen. Oder die sexuelle Überaktivität kann dem Mann alltäglich bestätigen, seine Frau ganz zu besitzen und sie völlig zu beherrschen. Oder sexuelle Abwehr und sexuelles Versagen kann narzisstisch begründet sein, weil der Orgasmus als
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