Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)
und faltig anfühlen musste wie die eines Reptils, gebleicht vom Licht Hunderter Sonnen und gegerbt vom Sternenwind.
Vielleicht war es auch das Bewusstsein des eig enen körperlichen Verfalls, das ihn daran hinderte, die Augen zu öffnen und Helen ins Gesicht zu sehen. Er würde die Jahre zur Kenntnis nehmen müssen, die zwischen ihnen lagen, und im Spiegel ihrer Augen würde er sich als das erkennen, was er war: ein alter närrischer Mann.
»Du bist wirklich ein Narr, Daniel Velesco, wenn du so von mir denkst«, sagte Helen in diesem A ugenblick, und der vertraute Klang ihrer Stimme jagte einen Schauer durch den Körper des alten Mannes. Jetzt konnte er nicht mehr anders, er musste sie ganz einfach ansehen: die leicht gerunzelte Stirn, das nachsichtig-spöttische Lächeln und den Tanz der Fünkchen in ihren Augen. Der Kapitän sah sie an, und die Jahre zerrannen zu Nichts. Ja, er war alt geworden, älter als die Drachen in den Märchen seiner Kindheit, aber er liebte sie, und jeder Atemzug, der ihm noch blieb, würde ihr gehören.
»Ich hätte dich nie allein lassen dürfen«, sagte der Kapitän, als er wieder sprechen konnte.
»Ach, Dan, das hast du doch gar nicht.« Helens Stimme klang ruhig und überzeugend. »Es war meine Entscheidung, nach Pegasos zu gehen. Es war wie ein Traum für mich, dieses Stipendium und die Möglichkeit, ein ganzes Jahr lang mit Künstlern zusammenzuarbeiten, die ich bewunderte. Mir war auch klar, dass die Kolonie kein Ort für uns beide sein würde. Du hättest es dort nicht einmal die ersten vier Wochen ausgehalten.«
»Das ändert nichts daran, dass ich nicht da war als ...« Der Kapitän führte den Satz nicht zu Ende. Es war auch nicht nötig. Sie wussten beide, was g emeint war.
»Du weißt, es hätte nichts geändert«, erwiderte Helen, ohne die Stimme zu heben. »Die Burgon haben Pegasos Forest ohne Vorwarnung mit sechzig Kampfeinheiten angegriffen. Nicht einmal ein kompletter Flottenverband der Föderationstruppen hätte sie aufhalten können. Und du warst damals noch nicht einmal beim Militär.«
»Wir hätten fliehen können – in die Höhlen vie lleicht wie diese Kinder«, beharrte der Kapitän störrisch. Erst danach dachte er über Helens Worte nach und fragte sich, woher sie die Einzelheiten des Angriffs kannte. Er ahnte die Antwort, wollte sie aber nicht wahrhaben.
»Die Höhlenkinder haben einfach nur Glück g ehabt, zwölf von fast dreitausend Bewohnern.« Ein Schatten glitt über das Gesicht der jungen Frau, aber sie fing sich sofort wieder. »Außerdem waren sie schon dort, als es passierte. Das Akademiegebäude und die Gästehäuser liegen ... lagen ... einige Kilometer oberhalb direkt am Hang. Wir wären keine hundert Meter weit gekommen ...«
»Vielleicht«, gab der Kapitän zu und drückte ihre Hand, »aber dann wäre es uns geschehen, nicht dir allein.«
»Ach, Dan«, sagte die Frau mit sanfter, trauriger Stimme. »Du tust nur dir selbst weh und mir auch, wenn du dir die Schuld daran gibst. Niemand hat das vorhersehen können, und es hätte auch niemandem geholfen, wenn wir damals zusammen gestorben wären. Das ist es doch, was du dir selbst vorwirfst, oder?«
Der Kapitän nickte und wich ihrem Blick aus. Er wollte nicht, dass sie sah, wie schwer ihn ihre Worte getroffen hatten.
Sie schwiegen, und eine Zeitlang waren nur ihre verhaltenen, fast ängstlichen Atemzüge zu hören.
»Niemand will sterben«, sagte der alte Mann dann. »Selbst im schlimmsten Elend gibt es immer etwas, das wir noch tun oder erre ichen möchten. Ich hatte dich verloren, und ich hasste mich dafür, also ging ich zum Militär und machte dort Karriere. Ich war bei der Schlacht vor Joyous Gard dabei und später als Erster Offizier beim Durchbruch in das Goleaner-System. Ich war Pilot, Offizier, Chefausbilder und zuletzt Geschwaderkommandant, und als der Krieg vorbei war, habe ich mich demobilisieren lassen und geholfen, die Trans-Orion-Linie aufzubauen. Nein, ich war nicht immer nur traurig; einiges davon hat sogar Spaß gemacht ... aber eines muss du mir glauben: Es hat in all dieser Zeit keinen Tag gegeben, an dem ich mir nicht gewünscht hätte, damals an deiner Seite gewesen zu sein.«
»Auch wenn du nichts hättest ändern können?«
»Auch dann, Helen, dann erst recht.«
»Und jetzt bist du gekommen, hierher , um mir das zu sagen?«, fragte sie mit einer Stimme, die so brüchig war wie das gefrorene Laub auf den Straßen nach dem ersten Kälteeinbruch.
»Ja, Helen, es
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