Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)
gab es keine Normalität. Das war vermutlich auch der Zentrale klar, sonst hätte sie kaum die technischen und medizinischen Voraussetzungen für diese Art der Ablenkung geschaffen.
Jetzt, da die Übelkeit abgeklungen war, konnte Vi ncent sogar wieder über sich selbst lächeln. Er hätte wissen müssen, dass er für einen derart ausgedehnten Ausflug am Ende den Preis zu zahlen hatte. Aber offensichtlich hatte der Gedanke an Rahina sein Urteilsvermögen beeinträchtigt. Die Herstellerfirmen empfahlen nicht ohne Grund eine maximale Simulationsdauer von 48 Stunden. Für alles, was darüber hinausging, lehnten sie jegliche Verantwortung ab. Da Vincent das Modul nicht legal erworben hatte, spielten die Nutzungsbedingungen zwar keine Rolle, dennoch war es leichtfertig gewesen, sich gleich für eine ganze Woche auf die Reise zu machen. Vielleicht hatte Rahina sogar recht mit dem, was sie beim Abschied gesagt hatte: Er brauchte sie. Mehr noch, je länger Vincent darüber nachdachte, um so schmerzhafter wurde ihm bewusst, wie sehr er sie vermisste. Es hatte keinen Sinn, sich länger etwas vorzumachen: Er war abhängig.
Dennoch glaubte er nicht, dass Rahinas diesb ezügliche Bemerkung tatsächlich etwas mit seiner Person zu tun hatte. Sie war wohl eher Teil einer ausgeklügelten Marketing-Strategie. Man suggerierte dem Kunden eine beiderseitige Abhängigkeit, die ihn dazu animierte »wiederzukommen«. Dass Vincent schon wieder über die Mehrdeutigkeit des Begriffes lächeln konnte, war der beste Beweis dafür, dass er tatsächlich auf dem Weg der Besserung war.
Das einzige, was ihn im Rückblick irritierte, w aren Rahinas merkwürdige Abschiedsworte. Die Erinnerung war zu frisch, um die Anspielung an seinen Auftrag als Sinnestäuschung abzutun. Zwar hatte vermutlich fast jeder Kunde in der realen Welt »etwas zu erledigen«, aber sie hatte ihn »Jäger« genannt, und davon gab es nach Vincents Kenntnis kaum mehr als ein Dutzend. War es möglich, dass sie seine Gedanken lesen konnte? Obwohl der Verdacht im Grunde absurd war, verhakte er sich wie ein Stachel in Vincents Bewusstsein. Es gab Dutzende höchst vernünftiger Argumente, die dagegen sprachen, aber am Ende jeder Indizienkette blieb stets eine Spur Unsicherheit: Und wenn doch?
Irgendwann würde er sich darum kümmern mü ssen, doch zunächst hatte Mr. Echo Priorität. Normalerweise erledigte Vincent seine Aufträge, ohne sich allzu intensiv mit den Hintergründen zu befassen. Er war kein Ermittler, sondern Jäger . Allerdings hatte er bislang auch nicht das Gefühl gehabt, dass man ihm wichtige Informationen vorenthielt. Das war diesmal anders. Er verfolgte einen Mann, um ihn zu töten – einen Mann, von dem er so gut wie nichts wusste. Das musste nicht heißen, dass es Unrecht war. Vielleicht war dieser Mr. Echo ja tatsächlich so gefährlich, dass er nur auf diese Weise aufzuhalten war. Auf Lahotka hatte Vincent allerdings einen anderen Eindruck gehabt. Niemand war zu Schaden gekommen, was auch immer der Fremde dort gewollt hatte. Einen Weltverbesserer hatte der Bürgermeister ihn genannt und dabei keineswegs ängstlich oder erschrocken geklungen. War der Fremde tatsächlich die Zielperson gewesen?
Als Jäger war Vincent zu absoluter Loyalität ve rpflichtet. Andererseits war ihm keine Vorschrift bekannt, die ihn dazu verpflichtete, eigene Recherchen zu unterlassen ...
Ein wenig Zeit blieb ihm noch, denn der Einsprun gpunkt ins Alvarez-Dyson-System war noch Hunderttausende Meilen entfernt. Die Schwierigkeiten lagen eher in der Entfernung zum Netz, dem Datenverbund der inneren Welten, und seinen Recherchemöglichkeiten. Einen Trumpf hatte Vincent allerdings noch im Ärmel – einen Trumpf, den er jedoch nur ungern ausspielte ...
Das Orakel war ein Geschenk der Sikhaner, das der Eigenart seiner Schöpfer entsprechend seine Geheimnisse erst mehr oder weniger zufällig offenbarte. Die Sikhaner waren Nomaden, deren Gesellschaft aus Dutzenden untereinander verfeindeter Clans bestand. Sie waren begnadete Techniker und Konstrukteure, nutzten diese Fähigkeiten aber nicht immer auf legale Weise. Die Festnahme des Chefs eines Fälscherrings hatte Vincent zwar den Zorn des betroffenen Clans, gleichzeitig aber auch das Wohlwollen der Konkurrenz eingetragen, deren Beauftragte ihm als Zeichen ihrer Dankbarkeit einen unscheinbar anmutenden Sensewaremodul überreicht hatte.
Das Gerät nutzte eine Sicherheitslücke, die es dem Nutzer erlaube, die Funktionen des Implantats
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