Die zweite Invasion - Legenden der Zukunft (German Edition)
elektronisch erzeugter Signale in das menschliche Gehirn erfolgt. Dies geschieht über ein so genanntes Kortikal-Interface, das die Kopplung zwischen Senseware-Modul und Gehirn realisiert. Der Markt wird von den Sikhanern beherrscht, aber es gibt mittlerweile auch funktionstüchtige Prototypen föderaler Hersteller ...«
»Danke für die Aufklärung«, unterbrach ihn Abt Anselm mit einem nachsichtigen Lächeln. »Aber ich kann im Moment nur leider nicht erkennen, wohin uns dieser Exkurs führen soll.«
»Ich bitte um Entschuldigung, aber worauf ich aus eigener Erfahrung hinweisen möchte, ist der Umstand, dass der Betroffene keinerlei Möglichkeit hat, die ihm vorgespiegelte Welt von der realen zu unterscheiden. Eine kritische Bestandsaufnahme ist unter diesen Umständen ausgeschlossen. Würde ich mich also zu diesem Experiment bereit erklären, könnte ich gar nicht anders als restlos begeistert zurückkehren. Die entscheidenden Fragen blieben aber weiter unbeantwortet.«
»Welche da wären?« Es war Pater Federicus a nzumerken, dass ihm Benedicts Einwände gründlich missfielen.
»Zum Beispiel die Frage, ob es den KIs tatsäc hlich gelungen ist, menschliches Bewusstsein als elektronische Kopie autark weiter existieren zu lassen. Oder die Problematik der Langzeitstabilität des Systems. Wer garantiert uns eigentlich, dass das Ganze nicht mehr ist als ein geschickter Bluff?«
»Das sind in der Tat Fragen von essentieller B edeutung«, stimmte der Abt zu. »Nur erwartet niemand ernsthaft, dass dein Besuch sie erschöpfend beantwortet. Wir bitten dich einzig darum, dass du dir einen Eindruck von diesem Ort verschaffst. Handelt es sich um eine offensichtliche Scharlatanerie oder um etwas, das wir ernst nehmen müssen? Wir verstehen deine Sorge, während deines Aufenthaltes dort nicht Herr deiner Sinne zu sein. Aber wer sonst sollte diese Herausforderung auf sich nehmen? Oder gibt es noch etwas anderes, das dir auf dem Herzen liegt, Bruder Benedict, etwas, über das es dir schwer fällt zu sprechen?«
Benedict spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. War er so leicht zu durchschauen? Beschämt senkte er den Kopf und bat die Heilige Mutter um Beistand.
»Ja, ehrwürdiger Vater«, erwiderte er schließlich. »Es gibt etwas, das mein Herz mit Dunkelheit und Furcht erfüllt. Ich muss selbst damit fertig werden, denn es hindert mich, meine Pflicht zu tun. Deshalb bitte ich um Nachsicht und einige Stunden Bedenkzeit.«
Der Aufschub wurde ihm gewährt, natürlich, de nnoch empfand Pater Benedict keinerlei Erleichterung, als er die Bibliothek verließ. Er hatte nur etwas Zeit gewonnen, und auch eine weitere im Gebet und innerer Sammlung verbrachte Nacht würde seine Angst vor dem, was ihn dort erwartete, nicht mindern.
Abt Anselm war der Wahrheit nahe gekommen, allerdings nicht nahe genug, um seine Motive tatsäc hlich zu verstehen.
Benedicts Furcht hatte ihren Ursprung in einem Trauma, das er unmittelbar vor seinem Eintritt in den Orden erlitten hatte. Die Erinnerung war mit den Jahren verblasst, jedenfalls hatte er das geglaubt, bis ihn die Konfrontation mit dem Abgesandten der M aschinen eines besseren belehrt hatte. Nichts war vergessen und vergeben ...
Allein die theoretische und im Grunde völlig unre alistische Möglichkeit, Elena dor t zu begegnen, hatte ihn in Panik versetzt und Bilder wiedererstehen lassen, die seit damals nichts von ihrem Schrecken verloren hatten.
Der einzige, der davon gewusst hatte, war Pater M ichael gewesen, sein Beichtvater und Mentor, den der Herr inzwischen zu sich gerufen hatte. Der alte Mann hatte Benedict ruhig zugehört, als der sich die Last von der Seele geredet hatte, und ihm keinerlei Vorhaltungen gemacht. Dennoch hatte Benedict die Worte nicht vergessen, mit denen der weißhaarige Pater den jungen Novizen damals entlassen hatte: »Du kannst das Böse in der Welt nicht besiegen, aber du kannst verhindern, dass es Macht über dich gewinnt. Das ist ungleich schwerer, als zornig zum Schwert zu greifen.«
Benedict hatte zum Schwert gegriffen, damals, und es war nicht sein Verdienst, dass andere den Streich geführt hatten ...
Ricardo hatte ihn einfach ausgelacht, als er mit se inem Ersparten bei ihm aufgekreuzt war und ihn gebeten hatte, ihm eine Waffe zu beschaffen.
»Klar kann ich dir eine Knarre besorgen, Kle iner«, hatte er gegrinst. »Aber das wäre rausgeschmissenes Geld, denn du hast nun mal nicht die Eier, um wirklich abzudrücken. Das ist nur was für die
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