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Die zweite Kreuzigung

Die zweite Kreuzigung

Titel: Die zweite Kreuzigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Wange zu berühren, zuckte Sarah zurück.
    »Es wird alles gut, Sarah«, sagte sie. Ilona musste mit ihrer eigenen Unsicherheit fertig werden. Sie konnte sich nicht vorstellen, was die junge Engländerin in diesen Zustand gebracht hatte.
    Plötzlich fuhr eine Hand unter der dünnen Decke hervor, und Sarah packte Ilona am Arm.
    »Macht, dass sie mir nichts mehr tun«, sagte sie. »Haltet Lukács zurück, damit er das nicht mehr mit mir macht.« Sie presste die Worte hervor, dann versagte ihr die Stimme, und sie wurde von einem Schluchzen geschüttelt.
    Ilona hielt den Atem an. Sie wagte nicht zu fragen, wer dieser Frau das angetan hatte. Sie trat ganz nah an Sarah heran, legte einen Arm um sie und drückte sie an sich. Beide verschmolzen fast miteinander. Ilona war nie vergewaltigt worden, aber mehrere ihrer Freundinnen hatten Derartiges erlebt, und sie wusste, was es aus den Frauen machte.
    »Sarah«, sagte sie dann, »wir sind gekommen, um dich von hier fortzuholen. Niemand wird dir mehr etwas tun. Ethan ist hier … dein Freund.«
    Jetzt wagte sich Ethan etwas näher heran. Er konnte sich nicht vorstellen, was sie mit ihr gemacht hatten. War Aehrenthal noch hier? Oder sein widerlicher Gefolgsmann Lukács? Konnten sie Sarah hier herausholen, ohne dass ihre Entführer aufmerksam wurden?
    »Sarah, meine Liebe«, flüsterte er. »Ich bin’s, Ethan. Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu holen.«
    Ihre Augenlider zuckten, und zum ersten Mal sah Ethan etwas Hoffnung in ihrem Blick.
    »Ethan?«
    Sie hauchte das Wort kaum hörbar.
    »Ja, meine Liebe, ich hol dich hier raus.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Er hat gesagt …, er bringt mich um, wenn ich wegzulaufen versuche. Sie haben mir … die Kleider weggenommen … Er hat gesagt, die Kälte …«
    »Die Kälte wird dich umbringen, wenn du ohne Kleiderzu fliehen versuchst«, sagte Ilona. »Wir müssen dich erst einmal wärmen.«
    »Was können wir tun?«, fragte Ethan.
    Ilona blickte erst Sarah, dann Ethan und schließlich sich selbst an.
    »Ethan«, sagte sie. »Sie und ich haben warme Oberkleidung und auch etwas Wärmendes darunter. Ich schlage vor, Sarah bekommt meine Jacke und Ihre Hose. Wenn wir uns beeilen …«
    Ethan streifte seine dicke Oberhose ab und gab sie Ilona. Die warf ihm einen strengen Blick zu, bis er begriff und sich umdrehte. Als sie Sarah aufdeckte und die vielen blauen Flecke auf ihrem nackten Körper sah, entfuhr ihr ein Schreckenslaut. Sie half ihr in Hose und Jacke. Die passten einigermaßen.
    »Was ist mit ihrem Kopf?«, fragte Ethan. »Sie wird viel Wärme verlieren, wenn sie barhäuptig hinausgeht.«
    Ilona runzelte die Stirn. Dann packte sie die Decke und riss ein Stück davon ab. »Daraus mache ich einen Turban für dich«, sagte sie. Sie wickelte den Streifen Stoff um Sarahs Kopf, zog ihn straff und steckte das Ende fest. Eine bizarre, aber durchaus brauchbare Kopfbedeckung.
    »Und die Füße?«, fragte Ilona. Jetzt wurde Ethan klar, dass sich Sarah die nackten Füße sofort erfrieren würde.
    »Auch das muss mit der Decke gehen«, sagte er. »Reißen Sie sie in Streifen …«
    »Da habe ich eine bessere Idee. In dem ersten Raum haben wir doch ein Paar Seidenschuhe gesehen. Wenn sie ihr passen, dann umwickeln wir sie mit Streifen aus der Decke, und sie wird zumindest warme Füße haben.«
    »Sarah«, fragte Ethan nun, »wie viele Personen halten sich in dem Schloss auf? Kannst du uns das sagen?«
    Während der kurzen Zeit, seit sie sie gefunden hatten, war Sarah etwas zu sich gekommen. Ihre Augen lebten auf. Sie blickte Ethan direkt an und zuckte die Achseln.
    »Der, den sie Egon nennen. Und der Unhold namens Lukács, der mir jedes Mal schrecklich weh tut, wenn er mich vergewaltigt.« Ihre Augenlider zuckten, und sie kämpfte mit den Tränen. »Dazu noch ein paar andere, vielleicht vier. Eine Frau hat mir etwas zu essen gebracht. Sie ist alt und hält euch bestimmt nicht auf.«
    Aber sie konnte schreien und die anderen alarmieren, dachte Ethan bei sich.
    »Lasst uns gehen«, sagte er. »Je länger wir hier warten, desto eher kann jemand auftauchen.«
    Sie ließen die Lampe brennen und schoben Sarah auf den Gang hinaus. Sie konnte sich nur unter Schmerzen bewegen. Jeder Schritt machte ihr bewusst, was man ihr angetan hatte.
    Sie huschten in den Raum, in dem sie zuerst gewesen waren. Ilona fand die Schuhe. Sie nahm sie in die Hand und stellte dabei fest, dass sie aus feinem Leder gemacht und mit einer persischen Stickerei verziert waren.

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