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Die zweite Kreuzigung

Die zweite Kreuzigung

Titel: Die zweite Kreuzigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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blickte ihn unverwandt an und schüttelte den Kopf.
    »O nein«, sagte sie dann. »Darum geht es ihm nicht. Er tut das alles nicht, um sich einen Namen zu machen oder Geld zu scheffeln. Es ist genau anders herum: Er ist Antiquitätenhändler geworden, weil er glaubt, das bringe ihn dorthin.«
    »Um an riesige Reichtümer zu kommen«, beharrte Ethan.
    Sie schwieg eine Weile. Er glaubte, das Gespräch habe sie erschöpft, und sie sollte besser noch ein wenig schlafen.
    »Ethan, er ist der Kopf einer Art Nazi-Organisation. Sie hat ihre Gefolgsleute hier in Rumänien, in Ungarn, in Österreich und in Deutschland. Es sind viele. Dazu eine Menge Verbündete, zumeist rechtsgerichtete christliche Gruppen. Er hat mir von ihnen erzählt. Er wollte mir einreden, die Reliquien seien bei ihnen in sicheren Händen und ich könnte ihnen auch den Ort in Libyen anvertrauen.«
    Ethan schaute sie verwirrt an.
    »Das will mir nicht in den Kopf. Was hat das alles mit Nazis zu tun?« Aber als er die Frage stellte, fielen ihm die Fotos ein, die er in der Wolfshöhle gesehen hatte.
    »So richtig begreife ich das auch noch nicht«, sagte sie. »Aber er jagt diesen Gegenständen seit Jahren nach, hat er mir gesagt.«
    In Ethans Kopf stieg eine Erinnerung auf. Er starrte in die Flammen. Etwas von Himmler und der Lanze des Longinus. Die Nazis hatten danach gesucht. Der Lanze der Macht. Dem Speer des Schicksals. Natürlich war das alles okkulter Unsinn, dachte er bei sich. Aber okkulter Unsinn konnte Menschen zu großen Taten inspirieren. Großen und üblen Taten.
    Als er sich umwandte, war Sarah wieder eingeschlafen.

ACHTZEHNTES KAPITEL
Kinder der Nacht
    Später konnte er nicht sagen, wie es geschehen war. Er hatte getan, was er konnte, um es nicht zu forcieren.
    Mit ihr ging eine Veränderung vor. Schlagartig und über Nacht, zumindest schien es ihm so. Seit ihrer Rettung war Sarah von einer tiefen Mattigkeit beherrscht gewesen. Sie hatte das Bett nicht verlassen, sich ganz in sich selbst zurückgezogen, als suchte sie dort die Rettung, einen Ort, wo weder Menschen noch Wölfe sie erreichen konnten. Dann war ihre Trägheit mit einem Mal wie weggeblasen. An diesem Abend schlief sie in ihrem alten Zustand ein und erwachte am Morgen mit dem Drang, das Bett zu verlassen.
    Ihre Beine waren noch schwach. Ethan stützte sie bei den wenigen Schritten aus dem Schlafraum zum Feuer im geräumigeren Teil der Hütte. Als er sie langsam auf einen Schemel niederließ, küsste sie ihn sacht auf die Stirn, zögerte einen Moment, nahm dann seinen Kopf in beide Hände und drückte ihre Lippen fest auf seinen Mund.
    Erschrocken fuhr er zurück und ließ sie auf den Schemel fallen.
    Sie musste lachen.
    »Keine Sorge, Ethan, ich fresse dich schon nicht. Ich dachte gar nicht, dass du zu der Sorte Männer gehörst, die in Panik geraten, wenn eine Frau sie küsst.«
    »Aber wieso …?«
    »Um dir dafür zu danken, dass du bis hierher gekommen bist, um mich zu retten. Ein Ritter in schimmernder Rüstung. Und um dir zu zeigen, dass es mit mir vorwärtsgeht.Vielleicht brauche ich Jahre, um das alles hinter mir zu lassen, vielleicht wird es mir nie ganz gelingen. Aber ich komme wieder auf die Beine. Und … weil ich dich mag.«
    Er wollte sie gerade fragen, wie es ihr nun gehe, da flog die Tür auf. Ein kalter Wind fuhr herein, gefolgt von Ilona, die gehetzt wirkte. Sie warf die Tür hinter sich zu.
    »Wir müssen sofort weg!«, rief sie und rang nach Luft. Sie musste schnell gelaufen sein. »Zieht euch an, in zwei Minuten müssen wir von hier verschwunden sein.«
    »Was ist denn passiert?« Ethan griff nach dem Mantel, den Ilona für Sarah mitgebracht hatte. Die half Sarah auf die Beine.
    »Das erzähle ich euch später. Wir müssen los«, rief sie erregt.
    Wie ein Echo heulte da plötzlich ein Wolf. In der Ferne antwortete ein zweiter, dann ein dritter. Eine halbe Minute lang vereinten die drei ihre Stimmen zu einem klagenden Chor, dessen Töne sich auf und ab schwangen, wie nur Wölfe es vermögen.
    Von Ilona angetrieben, stolperten sie ins Freie. Ethan spürte, dass sie Angst hatte. Vor den Wölfen? Oder vor etwas anderem?
    Sie suchten voranzukommen, so schnell es ging. Bald spürten sie, wie schwach Sarah noch war. Ethan hielt sie fest, stützte sie und lenkte ihre Schritte. Sie überquerten die Lichtung, liefen durch das Unterholz und verschwanden schließlich unter den Bäumen. Der Weg führte steil abwärts. Ilona ging voran, drängend und zugleich umsichtig,

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