Die Zweite Legion: Das Geheimnis von Askir 2 (German Edition)
Schriftrollenbehälter und eine lederne Mappe.
»Öffnet eine dieser Rollen, und Ihr wisst, wer sie waren.«
Ich folgte Armins Rat und rollte eines der Schriftstücke auf. Ich brauchte ziemlich lange, um die verschnörkelte, schwer lesbare Schrift zu entziffern. Doch es war klar genug. Im Auftrag des Emirs wurde dem Träger dieses Schreibens – in diesem Fall ein gewisser Heptar di Tenim – bescheinigt, dass er als Kopfgeldjäger eingetragen war.
Ich sah unseren Gefangenen an. Er lag nackt und gefesselt im Bug und schwitzte in der Sonne. Vielleicht war er dieser Heptar. Es interessierte mich nicht. Noch wusste ich nicht, wann wir dazu kamen, uns mit ihm zu unterhalten, aber ich war mir sicher, dass er uns alles erzählen würde, was er wusste. Bis jetzt hatten wir ihn auf Zokoras Rat hin noch kein bisschen beachtet.
»Kopfgeldjäger?«
»Ja, Esseri … Au!« Er schüttelte die Hand. »Du von den Göttern verfluchte Ausgeburt eines rostigen Nagels! Was wagst du, mich zu stechen!«, zeterte Armin. Er war mit der Ahle abgerutscht und hatte sich in den Finger gestochen. Er steckte sich den Finger in den Mund, lutschte einen Moment an ihm und musterte ihn dann kritisch.
»Der Finger ist noch dran«, teilte ich ihm mit.
»Den Göttern ist gedankt dafür!« Er studierte die Kette und die Werkzeuge. »Vielleicht wäre eine Unterweisung nicht verkehrt, o Meister der Rüstung, bevor ich mir ein Auge aussteche.«
Ich lachte über seinen empörten Ton. »So schwer ist es nicht, Armin. Die Ahle ist nur dafür da, die Ringe zu halten. Seht.« Ich schob die Ahle durch eine Reihe Kettenglieder, sodass die nächste Reihe dadurch hoch stand und besser zu bearbeiten war.
Er warf mir einen Blick zu, der alles bedeuten konnte, und riss mir den Kettenmantel beinahe wieder aus der Hand.
Ich zählte das Gold und Silber durch, das ich eben vor mir auf die Planken geschüttet hatte. Es war ein kleines Vermögen.
»Das sind fast elf Kronen«, teilte mir Armin mit. »Zehn davon, zur einen Hälfte in Gold, zur anderen in Silber, fand ich im Beutel des Anführers. Zusammen mit diesem hier.« Er tippte mit der Ahle auf die Mappe. Ich nahm sie auf und sah sie mir an. Sie war etwa zwei Hand breit und vier Hand hoch. Im ersten Moment wusste ich nicht, wie sie zu öffnen war, dann begriff ich es und zog die Mappe auseinander. Sie enthielt Zeichnungen – Zeichnungen von uns. Von Leandra, Janos, Sieglinde, Zokora, Varosch und mir.
»Er hat Euch nicht gut getroffen, Esseri. Ihr wirkt deutlich älter auf diesem Bild.«
Kein Wunder. Es waren Porträts. Auch wenn der Zeichner sich mit den Gesichtern am meisten Mühe gegeben hatte, hatte er weitere Details mit hineingenommen, so zum Beispiel den Kragen oder die Schultern. An Sieglindes Bild konnte ich erkennen, wann diese Zeichnung entstanden war. Eine Schulter war frei, und nur an einem Abend war sie derart freizügig zu sehen gewesen.
Doch so gut die Zeichnungen uns auch trafen, leicht zu erkennen waren wir nicht mehr. Auf diesen Bildern trugen die Frauen alle lange Haare, aber bis auf Natalyia, von der kein Bild existierte, entsprach das lange nicht mehr der Wirklichkeit. Janos sah auf dem Bild aus wie der Bandit, der er damals vorgab zu sein, und ich selbst wirkte vierzig Jahre älter. Varosch wiederum machte irgendwie einen jugendlicheren Eindruck als jetzt. Sein Gesicht hatte Charakter gewonnen in den letzten Wochen und neue Linien, die ihm besser standen und ihn reifer aussehen ließen.
Beinahe mit gebrochenem Rückgrat qualvoll zu sterben veränderte einen Menschen. Auch er trug nun einen Bart. Diese Bilder waren alt, dennoch hatten die Kopfgeldjäger uns gefunden.
Ich erhob mich und trat nach hinten zur Kajüte, wo Varosch gerade eine Schale mit Wasser füllte, das er über einer kleinen Kohleschale erhitzt hatte. Er stellte sie vor Zokora auf den Boden, neben den Flussschiffer, der so schwer verletzt worden war. Der Mann lag ruhig. Zokora fuhr ihm über die Augen, warf die blutige Bolzenspitze achtlos über ihre Schulter in den Fluss und wusch sich die Hände.
»Wie sieht es aus?«, fragte ich.
Zokora schaute zu mir hoch und schüttelte den Kopf. »Ohne meine Magie bin ich nicht mehr als eine gute Heilerin. Nicht gut genug für diese Wunde. Er schläft, ich konnte ihm Linderung verschaffen. Aber ich befürchte, dass Wundbrand einsetzen wird, obwohl ich ihn gründlich gewaschen habe.«
»Die Priester Soltars verwenden Branntwein.«
»Und wir gebrannten Pilzsud. Haben wir
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