Die zweite Stufe der Einsamkeit
Bewunderung belegt. Die Schicht aus Schutzschmiere, die auf sein Gesicht aufgetragen war, konnte das Lächeln kaum verbergen.
Von der Stadt sah zweifelnd aus. Nicht nur sein Gesicht, sondern sein ganzer Körper strahlte Zweifel aus. Beide Männer waren gleich gekleidet, in nichtssagende graue Overalls, die aus einem schweren, metallischen Tuch gewebt waren. Aber man hätte sie nie verwechseln können. Von der Stadt war einzigartig in seiner Fähigkeit, Zweifel auszudrücken, während er absolut regungslos blieb.
Wenn er sich bewegte oder sprach, unterstrich er den Eindruck. Wie jetzt.
„Irgendeine Schatzkammer“, sagte er einfach.
Es genügte, um Ciffonetto ärgerlich zu machen. Er blickte seinen größeren Gefährten ziemlich finster an. „Nein, ich meine es wirklich so“, sagte er. Der Strahl seiner schweren Taschenlampe schnitt durch die dichte Dunkelheit und spielte an einer der rostzerfressenen Stahlsäulen auf und ab, die von der Plattform bis zur Decke aufragten. „Sieh dir das an“, sagte Ciffonetto.
Von der Stadt sah es sich an. Zweifelnd. „Ich sehe es“, sagte er. „Also, wo ist der Schatz?“
Ciffonetto ließ seinen Strahl weiter auf und ab wandern. „Das ist der Schatz“, sagte er. „Das alles hier ist ein gewaltiger historischer Fund. Ich wußte, daß wir hier fündig werden würden. Ich habe es ihnen gesagt.“
„Was ist denn an einem Stahlträger so großartig?“ fragte von der Stadt, wobei er jetzt seinen eigenen Lichtkegel ebenfalls über die Säule huschen ließ.
„Der Zustand der Erhaltung“, sagte Ciffonetto und ging näher. „Fast alles, was über der Erdoberfläche liegt, ist radioaktive Schlacke. Sogar jetzt noch. Aber hier unten haben wir ein paar schöne Apparaturen gefunden. Sie werden uns ermöglichen, uns ein viel besseres Bild davon zu machen, wie die alte Zivilisation vor der Katastrophe war.“
„Wir wissen , wie die alte Zivilisation war“, entgegnete von der Stadt. „Wir haben Bänder, Bücher, Filme, alles. Alle möglichen Dinge. Der Krieg hat Luna nicht einmal gestreift.“
„Ja, ja, aber das hier, das ist etwas anderes“, sagte Ciffonetto. „Das ist die Wirklichkeit.“ Er fuhr mit der behandschuhten Hand liebevoll über die Säule. „Schau mal“, sagte er.
Von der Stadt trat näher.
Da war eine Schrift in das Metall eingraviert. Vielmehr: eingekratzt. Nicht sehr tief, aber sie war noch lesbar, wenn auch schwer.
Ciffonetto lächelte wieder. Von der Stadt sah zweifelnd aus. „Rodney liebt Wanda“, sagte er.
Er schüttelte den Kopf. „Scheiße, Cliff“, sagte er. „Dasselbe kannst du auf jedem öffentlichen Klo in Luna City finden.“
Ciffonetto rollte mit den Augen. „Von der Stadt“, sagte er, „selbst wenn wir die älteste Höhlenmalerei der Welt finden würden – du würdest wahrscheinlich sagen, es sei ein erbärmliches Bild von einem Büffel.“ Er stieß mit der freien Hand zu der Schrift hin. „Verstehst du denn nicht? Dies hier ist alt. Es ist Geschichte. Es ist der Überrest einer Zivilisation und einer Nation und eines Planeten, der vor fast einem halben Jahrtausend unterging.“
Von der Stadt antwortete nicht, aber er sah noch immer skeptisch aus. Sein Lichtstrahl wanderte umher. „Da ist noch mehr, wenn es das ist, hinter dem du her bist“, sagte er, und ließ den Strahl auf einer anderen Säule, ein paar Fuß entfernt, verharren.
Dieses Mal war es Ciffonetto, der die Inschrift las. „Tut Buße, sonst werdet ihr untergehen“, sagte er lächelnd, nachdem sein Lichtstrahl mit dem von der Stadts verschmolzen war.
Er kicherte ein bißchen. „Die Worte der Propheten sind an die U-Bahn-Wände geschrieben“, sagte er leise.
Von der Stadt runzelte die Stirn. „Irgendeines Propheten“, sagte er. „Sie müssen eine wahre Hölle von unheimlichen Religionen gehabt haben.“
„O Jesus“, stöhnte Ciffonetto. „Ich hab’s nicht wörtlich gemeint. Ich habe zitiert. Einen Dichter aus der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts namens Simon. Er hat das etwa fünfzig Jahre vor der Großen Katastrophe geschrieben.“
Von der Stadt war desinteressiert. Er schlenderte ungeduldig davon, sein Lichtstrahl schoß inmitten der pechschwarzen Ruinen der alten U-Bahn-Station hierhin und dorthin.
„Es ist heiß hier unten“, beklagte er sich.
„Oben ist’s heißer“, sagte Ciffonetto, bereits in eine neue Inschrift vertieft.
„Nicht dieselbe Art von heiß“, erwiderte von der Stadt.
Ciffonetto machte sich nicht die Mühe zu
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