Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
drückte sie an sich, hinter ihm stand Steven, der wie eine jugendliche Ausgabe seines Vaters wirkte: die gleichen blauen Augen, das gleiche Haar, aber noch voll, die gleiche Schildpattbrille und die gleiche hellbraune Hose.
»Was haben sie dir bloß angetan? Es sieht aus, als würde es höllisch wehtun.«
»Halb so schlimm.«
»Es gibt keine unversehrten Körperstellen mehr, an denen ich dich küssen kann.«
»Doch, meine Lippen.«
Kaum gesagt, hatte Sam sie auch schon geküsst.
»Victoria«, sagte Jill, »das ist Steven Becker. Steven, Victoria Skyler.« Sie zögerte einen Moment. »Der Stiefsohn lernt die ehemalige Stieftochter kennen, oder?«
Victoria lächelte. »Ich bin nicht deine ehemalige Stieftochter, sondern deine Stieftochter.«
»Und eigentlich sind wir schon zu alt, um noch als Kinder durchgehen zu können«, bemerkte Steven.
Sam lachte. »Für uns werdet ihr immer Kinder bleiben.« Er drehte sich zu Jill. »Fahren wir nach Hause?«
»Ja. Tun wir das.«
»Victoria?«, sagte Sam. »Du kommst hoffentlich noch mit uns. Wir essen etwas zusammen und versuchen ein bisschen zu entspannen. Megan würde dich bestimmt auch gern wiedersehen.«
Jill rechnete Sam das Angebot an Victoria hoch an, aber sie war alt genug, um zu wissen, dass sie ihr eigentliches Problem noch immer nicht gelöst hatten. Sam fühlte bestimmt ähnlich. Ob sie alle zusammen eine Familie werden würden? Wenn nicht, würde es auch keine Heirat geben. Liebe allein reichte dafür nicht, denn Liebe war nicht das Ende, sondern nur der Anfang von vielen Fragen, auf die Jill noch keine Antwort wusste.
Victoria lächelte Sam an. »Danke für die Einladung, aber ich habe morgen ein Seminar.«
»Ich denke, ein ärztliches Attest könnte da Abhilfe schaffen.« Sam grinste in Jills Richtung.
»Überredet.« Jill grinste zurück. Plötzlich war sie voller Vorfreude darauf, Megan wiederzusehen und alle in Sicherheit unter ihrem Dach vereint zu haben. Ein Dach, das vielleicht eins für alle von ihnen werden könnte.
69
Jill räumte zusammen mit Sam, Steven und Victoria die Küche auf. Sie hatten Pizza gegessen. Alle warteten darauf, dass Katie Megan nach Hause brachte. Draußen hatte es zu regnen begonnen, ein weiterer Frühlingssturm, der Beef in seinen Korb getrieben hatte. Victoria hatte geduscht und ein T-Shirt und eine Trainingshose von Megan übergezogen, Jill trug einen pinkfarbenen Baumwollpulli, Jeans und Clogs. Abgesehen von den Blutergüssen und Verbänden fühlte sie sich wieder wie eine glückliche Mutter.
»Mom?« Megan rang nach Luft, als sie die Küche betrat und Jills Gesicht sah. »Was ist denn mit dir passiert? Dein Auge, deine Stirn?«
»Komm her, es ist alles in Ordnung.«
»Wirklich?« Megan umarmte sie fest. »Katie hat behauptet, es sei alles nicht schlimm, aber du siehst furchtbar aus.«
»Victoria und mir geht es gut. Wir hatten einen schrecklichen Tag, aber der ist jetzt vorbei.«
»Du siehst aber hübsch aus, Jill.« Katie betrat lächelnd die Küche. Die beiden Freundinnen sahen sich an. Aus ihren Blicken sprach tiefe Zuneigung füreinander.
»So wie du.« Jill lächelte. Sie hatte Katie am Telefon bereits alles erzählt.
»Ich sag nur Hallo und bin schon wieder weg.« Katie winkte allen zu. »Ich muss gleich wieder nach Hause.«
Jill küsste Megan auf den Kopf. »Magst du noch Pizza? Ich kann den Rest in der Mikrowelle warm machen.«
»Nein, ich habe gegessen. Jetzt erzähl endlich, was passiert ist. Ist alle Welt jetzt durchgedreht?«
»Setz dich erst mal.«
Victoria setzte sich neben Megan. »Schön, dich zu sehen«, sagte sie und umarmte ihre Stiefschwester zur Begrüßung. »Ich habe dich vermisst.«
»Ich dich auch. Aber jetzt erzählt doch endlich. Tut dein Kopf weh? Mussten sie eure Wunden nähen?«
»Um es kurz zu machen, Victoria und ich sind an zwei kriminelle Typen geraten, die uns ein bisschen zugerichtet haben.«
»Was für kriminelle Typen? Haben sie euch ausgeraubt? Waren es Diebe?«
»Nein, ich denke, das Ganze hatte höchstwahrscheinlich etwas mit William zu tun.« Jill schenkte Megan ein Glas Wasser ein. »In ein paar Tagen weiß die Polizei mehr.«
»Und wo ist Abby? Warum ist sie nicht hier? Weiß sie Bescheid?«
»Nein. Aber sie wird bald kommen.«
Victoria entschuldigte sich bei Megan für ihr Verhalten bei der Trauerfeier, und die beiden Stiefschwestern gaben sich die Hand. Jill war gerührt.
»Und, Megan? Falls jemand nach unseren Verletzungen fragt, hatten wir einen
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