Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
Egal, wie viel Geld ich ihm geben würde, es würde nie reichen. Die Beziehung hätte mich in den Ruin getrieben.«
Megan verzog das Gesicht. »Und das ist alles? Deshalb habt ihr euch getrennt?«
Jills Brust zog sich zusammen. »Die Summen, die er für seine Unternehmungen verlangte, wurden immer größer.«
»Wie groß?«
»Einmal wollte er 325 000 Dollar.«
»Wow.« Megans Augen weiteten sich vor Erstaunen, wobei sie sicher keine realistische Vorstellung hatte, wie viel oder wie wenig Geld das war. Konnte man ein iPhone dafür bekommen, war es in ihren Augen schon ein ordentlicher Haufen Kohle.
»Ich habe Nein gesagt.« Dass das Geld, das William verlangt hatte, eigentlich Megan gehörte, verschwieg sie. Grays Eltern hatten nach dessen Tod ein Konto für ihre Tochter eingerichtet. Gray hatte keine Lebensversicherung abgeschlossen, dafür hatte er sich noch zu jung gefühlt. »Dann wollte William, dass ich ein Darlehen in der gleichen Höhe aufnehme. Als ich auch das abgelehnt habe, tat er etwas, was das Fass zum Überlaufen gebracht hat.«
»Was?«
Jill zögerte. Aber vielleicht war die Zeit gekommen, um mit der Wahrheit herauszurücken. »Gewöhnlich kam er abends in meine Praxis und brachte dich mit. Du hast mit den Spielsachen im Wartezimmer gespielt, und wenn ich fertig war, sind wir zu dritt essen gegangen.«
»Daran erinnere ich mich. Das war schön.«
»William kam die ganze Zeit über aber nicht, um mich abzuholen, wie ich geglaubt hatte. Er kam, um mich zu bestehlen. Immer wieder fehlte Geld aus der Portokasse, immer wieder fehlten Medikamentenproben.«
Megan presste die Lippen zusammen.
»Bei der vielen Arbeit und der langen Zeit ist es nicht aufgefallen. Er stahl immer nur kleine Mengen, vor allem bei den Blöcken war er vorsichtig.«
»Blöcke? Er hat Schreibblöcke mitgehen lassen?«
»Nein, Rezeptblöcke. Damit kann man sich illegal Medikamente besorgen.«
»Wirklich?«
»Für einen leeren Rezeptblock bekommt man ungefähr fünfzig Dollar. Hauptsächlich kaufen sie Leute, die süchtig nach Schmerzmitteln sind. Zuerst sind wir im Dunkeln getappt, aber dann …«
Megan sagte kein Wort mehr, und Jill ärgerte sich. Warum hatte sie ihr die Geschichte erzählt? Über das Geld, das William immer wieder aus ihrer Brieftasche genommen, und die kleinen Beträge, die er lange Zeit unbemerkt mit ihrer Kreditkarte abgehoben hatte, schwieg sie.
»Alles in Ordnung?« Jill legte die Hand auf die ihrer Tochter.
»Wie kamt ihr darauf, dass er es gewesen ist?«
»Wir haben ihn auf frischer Tat ertappt. Im Keller, wo die Rezeptblöcke aufbewahrt wurden, hatten wir eine Videokamera installiert. Meine Idee. Ich dachte nie, dass wir meinen eigenen Ehemann beim Klauen erwischen würden.«
Megan legte das Besteck beiseite.
»Das war mehr als peinlich für mich, aber es hätte noch schlimmer kommen können. Meine Praxiskollegen und ich, wir hätten alle unsere Zulassung verlieren können.«
»Aber William musste doch nicht ins Gefängnis?«
»Nein.« Dass Megan jetzt auch noch Mitleid mit William zu haben schien, stimmte Jill traurig. »Meine Kollegen haben aus Rücksicht auf mich keine Anzeige erstattet, aber ich musste die Praxis verlassen.«
»Glaubst du, dass er dich betrogen hat?«
»Ich weiß es nicht. Aber es ist mir auch egal.«
»Wirklich, Mom?«
»Wirklich.« Jill zuckte mit den Schultern. Was unter ihrem Dach, vor ihren Augen passiert war – all die Demütigungen –, behielt sie für sich. »Ich wollte mit einem Mann zusammen sein, dem ich vertrauen kann. Also habe ich anschließend eine Zeit lang allein gelebt, bis mir Sam über den Weg lief. Ende der Story. Oder besser, Beginn einer neuen.«
Megan legte den Kopf zur Seite, sie dachte nach. »Ich denke, William hatte einfach einen Traum, der nicht deiner war.«
»Lass uns uns einfach darauf einigen, dass wir darüber nicht einer Meinung sind.« Jill holte tief Luft. Um Megans Gefühle nicht zu verletzen, sollte sie jetzt aufhören. Dass sie mittlerweile sicher war, dass William sie nie wirklich geliebt hatte, sondern es von Anfang an nur auf ihr Geld abgesehen hatte und froh war, eine Mutter für seine Kinder gefunden zu haben, das verkniff sie sich. Megan hätte daraus schließen können, dass William auch ihr nur etwas vorgespielt hatte, dass er auch sie nicht wirklich geliebt hatte. Das wäre wahrscheinlich dann doch zu viel für sie zu ertragen gewesen. Sie war zwar schon dreizehn und recht erwachsen für ihr Alter, aber im
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