Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
Auf der Rückfahrt war ihr immerhin kein schwarzer SUV mit defektem Scheinwerfer begegnet. Sie parkte in der Einfahrt, stieg aus dem Wagen und sah die Straße entlang. Dort hatte sie ihn zum ersten Mal gesehen.
Welcher SUV? Ich parke um die Ecke.
Vor dem Haus der Bakers hatte er gestanden, aber die besaßen keinen SUV . Jill ging spontan zum Haus der Nachbarn, in dem noch Licht brannte und der Fernseher im Wohnzimmer lief. Sie klopfte an die Vordertür. Eine Minute später stand Janet Baker, eine ältere Frau mit freundlichem, rundlichem Gesicht vor ihr.
»Hallo, Janet«, sagte Jill. »Entschuldige die Störung.«
»Kein Problem.« Janet lächelte. »Was führt dich zu uns?«
»Hat euch gestern Abend während des Unwetters jemand besucht, der einen schwarzen SUV fährt?«
Janet schüttelte den Kopf. »Nein, wir waren allein zu Hause. Warum fragst du?«
»Hatten die DiLorios oder die Jacksons Besuch?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Stimmt. Dann entschuldige nochmals, dass ich euch gestört habe. Gute Nacht.« Jill ging zu ihrem Wagen zurück und lud Williams Laptop und Akten aus. Als sie die Haustür öffnete, begann ihr Handy zu läuten. Es war Megan.
Zu den Klängen von Lady Gaga knallte Jill den Karton mit Williams Sachen auf den Konsolentisch und nahm das Gespräch an. »Du bist noch nicht zu Hause?«
»Nein. Kann ich heute Nacht bei Courtney schlafen?«
»Schon wieder?« Jill ließ sich auf einen Stuhl fallen. Beef kam angerannt und schnüffelte an der Box. Vor allem die in Folie gewickelten restlichen Pfannkuchen erregten sein Interesse.
»Ich weiß. Aber wir sind noch mitten in unserer Arbeit für den Englischunterricht.«
»Worum geht es?« Jill konnte am anderen Ende der Leitung einen laufenden Fernseher hören.
»Um Romeo und Julia . Wir müssen eine Szene auswendig lernen und sie vor der Klasse vorspielen. Ich bin Julia.«
»Und wie lange braucht ihr noch?«
»Schon noch eine Weile«, antwortete Megan mit gespielter Ungeduld.
»Dann komm nach Hause, wenn ihr fertig seid. Ich hole dich auch ab, egal, wie spät es wird.«
»Aber warum kann ich denn nicht hierbleiben? Courtneys Eltern sind auch zu Hause.«
»Ich möchte dich heute noch sehen. Schließlich waren die letzten Tage auch für dich nicht einfach. Und ich mache mir Sorgen.«
»Das musst du nicht, Mom.« Megan seufzte. Im Hintergrund sagte Courtney etwas.
»Ich habe frische Kartoffelpfannkuchen für dich.« Doch die Zeiten, in denen Jill Megan mit Essen bestechen konnte, waren definitiv vorbei. Früher waren Pizza-Bagels ihre Trumpfkarte gewesen. »Warte, hast du morgen nicht einen Wettkampf?«
»Ja, aber ich werde auch ausgeschlafen sein, wenn ich hier übernachte. Versprochen.«
»Na gut, du hast gewonnen. Aber lass das nicht zur Gewohnheit werden.«
»Danke. Courtneys Mom wird uns zum Wettkampf fahren. Er beginnt um zwölf in der Highschool. Bringst du morgen noch meine Tasche her? Und hast du das Buch besorgt?«
Mist, das hatte Jill total vergessen. »Noch nicht. Wann brauchst du es?«
»Am Montag. Courtney bestellt mit ihrem iPhone die Sachen immer selbst online. Warum darf ich das nicht?«
»Weil du kein iPhone hast, deshalb.«
»Mom, das ist nicht lustig.«
Jill grinste in sich hinein. »Ich kümmere mich darum, mein Schatz.«
»Danke. Wir müssen dann jetzt weitermachen. Bye.«
»Bis morgen. Und, Megan? Schlaf gut.« Jill legte auf und streichelte den schwanzwedelnden Beef. Megan hatte Sam nicht gegrüßt, was ungewöhnlich war. Jill dachte nach. Vielleicht verdiente er tatsächlich eine Entschuldigung von ihr? Sie ging ins Wohnzimmer. Sam war auf der Couch eingeschlafen. Ein Buch lag auf seiner Brust, die Brille steckte hochgeschoben im Haar, der Fernseher lief leise. Bei laufendem Fernseher hatte Abby auch William gefunden.
Jill schüttelte sich und ging in die Küche. Sie gab Beef einen Pfannkuchen, verstaute den Rest im Kühlschrank und widmete sich dann Williams Laptop und Akten.
Der oberste Ordner war mit Gesundheit beschriftet, Jill blätterte ihn durch und fand einen Befund zu Williams Blutbild. Es war normal. Die einzigen Medikamente, die er regelmäßig nahm, waren ein Cholesterin- und ein Anti-Aging-Mittel. So stand es zumindest im Bericht.
Jill sah die restlichen Ordner durch, in denen sich ausschließlich alte Rechnungen befanden, dann durchforstete sie seinen Laptop. Nichts Außergewöhnliches: Nur E-Mail-Verkehr mit seinen Golfpartnern, mit Abby, Victoria, Neil Straub und einigen Frauen.
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