Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
wird nur ein einziges Mal vergeben.« Jill schüttelte den Kopf. Jetzt war klar, dass der Tod ihres Exmannes noch nicht erledigt war. »William kannte sich mit Medikamenten aus. Er hätte gewusst, dass es gefährlich werden kann, sie mit Alkohol zu mischen.«
»Hatte er eine Lebensversicherung?«
»Ja, über eine Million. Die Mädchen sind die Begünstigten.«
»Schon komisch, tot sind wir alle mehr wert als lebend.«
Jill dachte nach. »Und wenn er die Tabletten absichtlich genommen hat? Wenn es ein Selbstmord war? Vielleicht hat er seinen Tod nur als Unfall inszeniert, weil Versicherungen bei Selbstmord nicht zahlen.«
»Aber warum?« Katies Augen verengten sich. »Er hatte doch Geld, oder meinst du, es war alles nur gespielt?«
»Die ganzen Papiere, in denen es um seine Finanzen geht, haben Victoria und der Anwalt, aber vielleicht finde ich ja über seinen Computer etwas heraus.«
»Wenn er Rechnungen online bezahlt hat, auf jeden Fall.«
»Als wir noch verheiratet waren, hat er das abgelehnt. Zu unsicher.«
»Das hat er gesagt?«, schnaubte Katie. »Auf jeden Fall sehe ich William nicht als selbstlosen Vater, der sich für seine Kinder das Leben nimmt. Das ist doch Unsinn.«
Die beiden Frauen schwiegen eine Weile, Jill stocherte in dem Stapel mit Pfannkuchen herum, die misslungen waren. »Ob ich wegen dem gefälschten Rezept zur Polizei gehen soll? Sie könnten sich auch das Überwachungsvideo der Apotheke ansehen.«
»Nichts spricht dagegen, aber was spricht dafür? Es ist vollkommen unklar, ob William ermordet wurde. Und Selbstmord interessiert die Polizei nicht.«
»Aber die Versicherung. Allerdings könnten dann die Mädchen leer ausgehen.«
»Das stimmt.« Katie runzelte die Stirn. »Jill, darf ich dich etwas fragen? Warum interessiert dich das alles so?«
Jill versuchte die Frage wegzulächeln, aber Katie meinte es ernst.
»Warum denkst du darüber nach, wie oder warum William gestorben ist?«
»Das habe ich dir doch schon gesagt«, antwortete Jill, »Abby denkt, er ist ermordet worden.«
»Aber was kümmert dich das?«
»Persönlich ist mir sein Tod egal. Wahrscheinlich ist es reiner Forscherdrang.«
»Quatsch. Persönlich ist es dir überhaupt nicht egal.«
Katie hatte recht. Es gab vieles, was Jill an ihr schätzte, am meisten aber ihre Ehrlichkeit. »Okay, da ist was dran. Also: Es ist mir persönlich nicht egal, weil Abby mir nicht egal ist. Nach so langer Zeit hat sie wieder ihre Hände nach mir ausgestreckt. Ich kümmere mich um Williams Tod, weil mir Abbys Leben am Herzen liegt. Sie muss wieder auf die rechte Bahn kommen, aber das wird ihr erst gelingen, wenn hinter dem Tod ihres Vaters kein Fragezeichen mehr steht.«
Katie zuckte mit den Achseln. »Okay.«
Jill lächelte. »Okay?«
»Das war überzeugend. Ich habe alles verstanden.«
»Und ist es eine gute Idee, Abby zu helfen?«
»Ich verstehe, wie du dich fühlst. Und ich verstehe, warum du ihr helfen willst.«
»Sam nicht.«
»Er kennt Abby nicht. Und er ist keine Mutter.«
»Aber er ist Vater.«
»Das ist nicht das Gleiche, auch wenn es nicht politisch korrekt ist, das zu sagen.« Katie aß ein Stück von einem verbrannten Pfannkuchen. »Paul ist ein wunderbarer Vater, aber macht er sich sofort Sorgen, wenn die Kinder mal nicht mehr in Sichtweite sind? Nein, so etwas tun Männer einfach nicht. Das machen nur wir, weil wir wissen, dass die Welt voller Gefahren steckt.«
»Das stimmt.« Jill dachte an einen Jungen in ihrer Praxis, der von einem Paintball-Gewehr am Auge verletzt worden war, an ein Mädchen, das sich mit einem Fischmesser den Arm aufgeschlitzt hatte. Man konnte sich überall auf der Welt verletzen, und manche Wunden heilten nie.
»Ich mache mir aber auch um Megan Sorgen, mein Patenkind. Sie hat genauso ihren Vater verloren. Sein Tod kommt zudem für sie zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt, denn du und Sam, ihr werdet bald heiraten. Und jetzt taucht auch noch Abby wieder auf. Selbst wenn Megan froh darüber ist, prasselt auf die Kleine derzeit eine Menge ein.«
»Wie recht du hast.« In Jill stiegen Schuldgefühle auf. »Ich glaube, ich habe Megan in den letzten Tagen wegen Abby vernachlässigt.«
»Das ist doch verständlich. Wie sagte meine Mutter immer? Das Kind, das am meisten Hilfe braucht, bekommt sie auch.«
»Und wenn beide gleich viel Hilfe brauchen?«
»Dann wird es Zeit für eine Margarita.«
16
Vielleicht hatte Katie ja mit allem recht? Vielleicht sah Jill schon überall Gespenster?
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