Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
Vielleicht konnte sie ja über die anderen Namen auf der Liste mehr über Neil oder über weitere Verbindungen von William erfahren – und vielleicht sogar über welche von Abby. Zumindest hatte Jill jetzt etwas zu tun, bis sie Abby und die Krankenhäuser ein weiteres Mal anrufen konnte. Sie druckte die Liste aus und machte sich an die Arbeit.
19
Sonnenstrahlen drangen durch die Fenster über der Spüle, als Jill vor dem Laptop aufwachte. In der Küche war es ruhig. Die Wanduhr zeigte 6.15 Uhr. Ihr erster Gedanke galt Abby. Hatte sie angerufen oder eine SMS geschickt? Aber weder Abby noch Victoria noch einer ihrer Patienten, inklusive Padma, hatten eine Nachricht hinterlassen. Sie erinnerte sich daran, dass noch Rahuls Blutbild ausstand.
Beef kroch aus seinem Korb und kam schwanzwedelnd zu ihr hinüber, sie streichelte seinen Kopf und wählte dann Abbys Nummer, während sie zur Hintertür ging, um den Hund hinauszulassen. Er trottete nach draußen, und Jill folgte ihm. Es war ein klarer Sonntagmorgen, in der Nachbarschaft rührte sich nichts. Für Laubbläser und Rasenmäher war es noch zu früh. Ihr Garten war riesig, gut viertausend Quadratmeter. Es gab einen Pool und einige Sumpfeichen, unter denen Beef gern herumtollte, ein Sichtschutzzaun umgab das Grundstück.
Jill stand in der Sonne, genoss die Morgenwärme und hoffte, dass Abby an den Apparat gehen würde. Doch wieder konnte sie nur eine Nachricht hinterlassen. Dann telefonierte sie erneut die Krankenhäuser durch, zum Glück ohne Ergebnis.
Es war jetzt 6.35 Uhr. So bald wie möglich wollte Jill zu Abby nach Hause, aber dafür musste sie erst Victoria anrufen.
»Jill?«, sagte Victoria schlaftrunken. »Was willst du so früh, verdammt?«
»Entschuldigung, aber ich habe noch immer nichts von Abby gehört. Du?«
»Nein. Du hast mich aufgeweckt.«
»Das tut mir leid. Ich möchte gern bei ihr zu Hause nachsehen, habe aber keine Schlüssel. Liegt vielleicht einer bei den Nachbarn?«
»Sag mal, tickst du noch ganz richtig? Halte dich da raus. Kapiert?«
Jill hatte mit dieser Reaktion gerechnet, sie blieb auf Friedenskurs. »Vielleicht ist sie ja die Treppe heruntergefallen und hat sich so schwer verletzt, dass sie nicht mehr aufstehen kann?«
»So ein Quatsch. Mein Gott, Abby ist doch keine zittrige alte Oma.«
»Aber wenn man betrunken ist, fällt man leicht hin. Man kann an dem Erbrochenen ersticken.«
»Ich dachte, Abby war gar nicht in Partylaune? Das waren gestern zumindest deine Worte.«
Jill biss sich auf die Zunge. »Und wenn ich unrecht hatte? Hast du einen Hausschlüssel?«
»Ja.«
»Treffen wir uns vorm Haus?«, fragte Jill und hoffte wider besseres Wissen auf eine positive Antwort.
»Warum sollten wir?«
»Weil du deine Schwester liebst.«
»Genau«, entgegnete Victoria. »Deshalb will ich ihr auch gute Manieren beibringen.«
Jill bekam bei Victoria einfach keinen festen Boden unter die Füße. »Victoria, vielleicht wird Abby von einem schwarzen SUV verfolgt, dessen Nummernschild mit einem T beginnt. Auch ich werde von ihm verfolgt. Kennst du jemanden, der so einen Wagen fährt?«
»Nein«, antwortete Victoria höhnisch. »Woher weißt du, dass du verfolgt wirst?«
»Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, aber der Wagen hat einen defekten Frontscheinwerfer.«
»Den du mit deinen aufmerksamen Äuglein erspäht hast?«
Wie konnte sie Victoria nur überzeugen? »Außerdem sind die Medikamente, die man im Schlafzimmer deines Vaters gefunden hat, von einem Arzt verschrieben worden, der schon mehrere Jahre lang tot ist. Das Rezept war also gefälscht.«
»Und das soll Dad getan haben?«
»Entweder er oder jemand …«
»Spinnst du? Dad würde nie ein Rezept fälschen.«
Jill dachte an die Hausschlüssel. »Victoria, es wäre nicht das erste Mal. Wenn wir uns treffen, könnte ich dir …«
»Halt die Klappe. Du reißt mich aus dem Schlaf, um Dad schlechtzumachen? Was ist los mit dir? Du hast doch nicht mehr alle Tassen im Schrank.«
»Bitte, lass uns uns treffen und gib mir den Schlüssel. Es geht um Abby.«
»Nein, das tut es nicht. Es geht um dich. Abby geht’s gut, du bist einfach nur wahnsinnig.«
Victoria legte auf. Sam kam lächelnd aus der Hintertür. Er trug seine Sporthose und war barfuß.
»Das hier wird uns guttun«, sagte er und umarmte sie. Als sie seine Umarmung erwiderte, spürten beide, dass die Verstimmung von gestern Abend am Abklingen war. Ihr Verhältnis war wieder auf dem Weg der Besserung.
»Ich
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