Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
Piepen eingehender Nachrichten auf Megans Handy. Das ganz normale Familienleben eben.
28
Da sie häufig beim Zubettgehen noch einmal miteinander redeten, nahm Jill sich heute Abend besonders viel Zeit. Megan war im Lauf des Abends immer stiller geworden. »Wie fühlst du dich, mein Schatz?« Jill saß am Bettrand.
»Gut, glaube ich.«
Jill strich eine Haarsträhne aus Megans Gesicht. Ihre Augen leuchteten im warmen Licht der Nachttischlampe, an ihrem Kinn entdeckte Jill ein paar weiße Punkte einer Creme gegen Akne.
»Hast du die Laken von gestern weggeworfen?«
»Nein, Sam hat sie im Waschsalon gewaschen, die Steppdecke auch. Nett von ihm, findest du nicht?«
Megan grinste. »Grandios.«
»Du sagst es. Was für ein Mann.«
»Mom? Du musst nicht immer wieder betonen, was für ein großartiger Typ Sam ist. Das sehe ich selbst.«
Jill hatte plötzlich einen Frosch im Hals. »Na gut. Also, was geht dir jetzt im Kopf herum? Da arbeitet es doch wie wild, das sehe ich.«
Megans Blick wurde ernst. Eine kleine Falte stand auf ihrer glatten Stirn. »Was meinst du, was passiert nach dem Tod?«
Jill vermutete, dass Megan über William reden wollte. Vielleicht auch über Gray, ihren richtigen Vater. »Ich denke, dass unser Geist in Gott weiterlebt. All das, was wir gefühlt und gedacht haben, verschwindet nicht.«
»Ist William ermordet worden? Was denkst du? Courtney meint, man müsste den Tatort genauer untersuchen, wie bei CSI im Fernsehen.«
»Vielleicht. Ich habe jedenfalls mit der Polizei darüber gesprochen.«
»Wann?«
»Heute. Deshalb bin ich auch so spät zu deinem Wettkampf gekommen.«
»Kein Problem. Ob es Abby gut geht?«
»Bestimmt.«
»Aber sie hat dich nicht angerufen, oder? Ich habe gesehen, wie du nach dem Essen dein Handy gecheckt hast.«
»Hoffentlich meldet sie sich bald.«
»Ich habe ihr über Facebook eine Nachricht geschickt. Victoria auch. Keine von beiden hat geantwortet.«
Jill schluckte ihren Ärger über Victoria hinunter. »Wann hast du das gemacht?«
»Während der Hausaufgaben.«
Jill gefiel Megans Multitaskingfähigkeit nicht, doch sie wusste, dass sie nichts dagegen unternehmen konnte. Mache immer nur eine Sache zur gleichen Zeit, das hatte Jills Mutter damals immer gesagt. Aber diese Zeiten waren wohl endgültig vorbei.
»Es gibt eine Menge Jungs, die etwas auf Abbys Facebook-Seite posten. Vielleicht ist sie ja bei einem von ihnen. Es muss also nichts Schlimmes passiert sein.«
»Das hoffe ich auch. Mach dir also um Abby keine Sorgen.« Jill zog die Decke hoch. Beef, der neben Megan lag, legte den Kopf auf seine Pfoten und schloss die Augen. »Auch du brauchst heute eine gehörige Portion Schlaf, Schatz.«
»Bin ich wegen der Panikattacke jetzt ein Waschlappen?«, fragte Megan nach einem kurzen Augenblick.
»Natürlich nicht.« Jill küsste sie auf die Wange. »Bei all dem, was dir an diesem Wochenende passiert ist – das hätte sogar den stärksten Typen umgehauen.«
»Zuerst habe ich gedacht, ich bekomme einen Herzinfarkt.«
»Beides fühlt sich ähnlich an.«
»Kann man an einer Panikattacke sterben?«
»Nein, natürlich nicht.« Jill streichelte ihre Wange.
»Was wäre, wenn ich heute Nacht sterben würde? Mitten im Schlaf?«
»Das kann nicht passieren, mein Schatz.« Jill wollte zu einem kleinen medizinischen Vortrag ansetzen, aber Megans besorgtes Gesicht genügte, um sie zu stoppen. Ihre Tochter war ein kleines ängstliches Mädchen, das in dem Körper einer jungen Frau steckte. Ihre Lippen zog sie krampfhaft um ihre Zahnspange nach innen, ein Zeichen ihrer großen Unsicherheit. Megan brauchte jetzt keinen Arzt, sondern eine Mutter. Jill drückte sie fest an sich. »Alles wird gut werden, mach dir keine Sorgen.«
»Legst du dich ein bisschen zu mir, Mom? So wie früher?«
»Gute Idee.« Jill machte das Licht aus. »Rutsch rüber.«
Megan legte sich an den Matratzenrand, und auch Beef rückte auf, sodass für Jill am Bettrand ein hauchdünner Streifen frei wurde, auf dem sie es sich gemütlich machen konnte. Müttern auf der ganzen Welt erging es ähnlich.
»Perfekt«, sagte Jill, und das war es auch.
»Und ich werde heute Nacht nicht sterben?«
»Natürlich nicht. Das ist unmöglich. Verstanden?«
»Verstanden.« Megan hielt inne. »Mom, hast du wirklich schon tausend Jungs geküsst?«
»Millionen habe ich abgeknutscht.«
Beide lachten, als Sams Silhouette in der Tür erschien. »Was geht denn hier vor? Es scheint, zwei Mädchen bräuchten eine
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