Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
passiert, habe ich nie …«
»Ist ja auch egal«, unterbrach sie Victoria, wieder gefasster. »Verstehst du mich jetzt? Ich glaube nicht, dass irgendjemand Abby etwas angetan hat, aber ich habe Angst, dass sie sich selbst etwas antut. Wir müssen sie bald finden.«
»Stimmt.« Jill zwang ihre Gefühle unter Kontrolle. »Ich glaube, ich weiß, was wir tun werden. Ich gehe wieder zur Polizei und mache den Beamten diesmal Feuer unterm Hintern. Schließlich ist mittlerweile wieder ein Tag vergangen. Und diesmal sollen sie alles erfahren, auch die Selbstmordgeschichte.«
»Lass mich gehen. Ich sollte das machen.«
»Gehen wir zusammen«, schlug Jill vor. »Mich kennen sie schon. Wir können uns vor dem Revier treffen.«
»Mir wäre es lieber, wenn du nicht mitgehst. Ich mache das mit Brian allein.« Victoria hatte sich also entschieden. Sie wollte die Distanz zu Jill aufrechterhalten.
»Warum willst du nicht, dass wir das gemeinsam machen?«
»Und warum respektierst du meine Entscheidung nicht?«
»Okay, schon gut.« Jill kapitulierte, sie war des Streitens müde. »Aber rufe mich hinterher an, ja?«
»Falls ich Zeit habe. Ich muss eine Arbeit über juristische Fachsprache schreiben.«
Jill biss sich auf die Zunge. »Aber falls Abby dich anruft, melde dich.«
»Das mache ich.«
»Ich werde morgen wahrscheinlich nach Manhattan fahren und bei Neils Wohnung vorbeischauen. Mal sehen, ob ich mehr herausbekomme.«
»Tu, was du nicht lassen kannst.«
»Danke. Mach’s gut«, hörte Jill sich automatisch das Gespräch beenden.
»Ist alles in Ordnung, Schatz?« Sam stand in der Küchentür.
Jill wusste nicht, wie lange er schon dastand, aber dass sie seinen Gesichtsausdruck nicht mochte, dessen war sie sich sofort sicher.
31
»Abby hat versucht sich umzubringen?«, fragte Sam ruhig.
»Nach meiner Scheidung von William.«
»Und jetzt fühlst du dich schuldig.«
Jill schüttelte den Kopf und ließ sich auf den Stuhl zurückfallen. »Wenn wir sie finden, schicke ich sie sofort zu Sandy. Das schwöre ich. Ich mache alles wieder gut.«
»Du musst nichts wiedergutmachen.«
»Und ob.« Jill sah ihm in die Augen. »Sie hat unter der Scheidung sehr gelitten.«
»Das habt ihr alle.«
»Aber sie besonders. Sie hat versucht sich umzubringen. Victoria und Megan haben nichts in der Art getan.«
»Ein jeder leidet auf seine Weise.«
»Schon, aber darum geht es hier doch überhaupt nicht.« Jill stand auf, holte ein Wasserglas aus dem Schrank und knallte die Tür so laut zu, dass Beef aufwachte. Er blinzelte verschlafen.
»Ich wollte dich nicht nerven«, sagte Sam.
»Ich dich auch nicht.« Jill füllte das Glas mit Wasser und trank einen Schluck. Es schmeckte nach nichts, außerdem war es lauwarm. Die Luft in der Küche schnürte ihr die Kehle zu. »Uns läuft die Zeit davon. Ich glaube nicht, dass Abby freiwillig verschwunden ist. Schließlich bin ich wieder Teil ihres Lebens, warum also sollte sie ausgerechnet jetzt abhauen?«
»Um deine Aufmerksamkeit zu erregen.« Sam kam zu ihr und lehnte sich an die Anrichte. »Das Verhalten würde zu ihren Anrufen und ihren Hilferufen passen. Und zum Autofahren in betrunkenem Zustand. Du hilfst immer, wenn jemand in Not ist, also gibt sie weiterhin die Notleidende.«
»Du glaubst, dass alles Berechnung ist?« Jills Brust zog sich zusammen. »Ihr Vater war ein Intrigant, aber sie doch nicht. Auch du solltest wie ich Vater und Tochter auseinanderhalten können.«
»Mich überrascht ihr Selbstmordversuch jedenfalls keineswegs. Wir haben doch schon vermutet, dass sie ein Problemkind ist.«
Jill konnte ihre Verärgerung nicht verbergen. »Egal, was du denkst, ich fahre morgen nach New York und suche sie.«
»Wieso New York?«
»Neil Straub war Williams Geschäftspartner. Er wohnt im West Village. Victoria hat nicht viel über ihn herausbekommen, aber vielleicht habe ich mehr Glück.«
»Warum solltest du?«
»Weil ich ein Nein als Antwort nicht akzeptiere.«
»Das glaube ich dir aufs Wort.«
Jill sah zu ihm hinüber und beließ es dabei. Sie kippte das restliche Wasser weg und stellte das Glas in die Spüle. »Ich werde dem Pförtner ein paar Fragen stellen. Wenn es gefährlich wird, gehe ich zur Polizei.«
»In New York?«
»Auch dort soll es Polizisten geben. Und, Sam? Ich mag es nicht, wenn du mir dauernd Steine in den Weg legst. Jedes Mal, wenn ich das Richtige tun will, dann …«
»Und wenn es in meinen Augen das Falsche ist?«
Jill war plötzlich erschöpft.
Weitere Kostenlose Bücher