Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
Was, wenn sie irgendetwas gesehen oder herausgefunden hat?«
Jetzt war es an der Zeit, Williams Doppelleben ins Spiel zu bringen. Jill hätte Victoria die Nachricht lieber schonend beigebracht, aber das war jetzt nicht mehr möglich. »Detective Hightower«, begann Jill, »ich befürchtete, dass Abbys Verschwinden etwas mit Neil Straub zu tun hat, der angeblich Williams Geschäftspartner in New York war. Ich habe heute jedoch erfahren, dass es sich bei Neil Straub und William Skyler um ein und dieselbe Person handelt.«
»Was?« Victoria drehte sich zu Jill. »Was redest du da? Das ist eine Lüge!«
»Sie sind doch verrückt.« Brian setzte sich in seinem grauen Anzug mit gestreifter Krawatte aufrecht hin. Er sah aus, als käme er direkt aus dem Büro.
»Was ist das für eine Geschichte, Doktor Farrow?«, fragte der Detective. Jill erzählte und zeigte ihm das Foto von William und dem Mann im blauen Polohemd, sie zeigte ihm auch die Wagenpapiere und den Ausdruck mit Nina D’Orives Adresse. Hightower machte sich Notizen, sein Interesse schien geweckt. Als auch Victoria sah, dass ihr Dad Straubs Wagenpapiere unterschrieben hatte, machte ihre erste Entrüstung großer Ernüchterung Platz.
»Ich weiß, dass das seltsam und kaum zu glauben ist, mein Schatz.«
»Aber Dad würde niemals …« Victoria brach ihren Satz ab und schüttelte den Kopf. »Warum hätte er so etwas tun sollen?«
Jill hätte ihre Stieftochter zu gern in den Arm genommen, war sich aber zu unsicher. »Ich bin genauso schockiert wie du. Doch niemand, Victoria, kennt seine Eltern in- und auswendig.«
»Aber ein Doppelleben? Eine Wohnung in New York, von der niemand wusste? Dad soll Neil Straub sein?«
»Es tut mir leid, Vick.« Brian legte den Arm um Victorias Schultern. Jill konnte sehen, dass seine Gefühle für sie echt waren, wofür sie ihn gleich etwas mehr mochte.
»Victoria«, sagte Jill, »dein Dad ist da wahrscheinlich in eine schlimme Sache hineingeraten. Deshalb musste er wohl auch seine wahre Identität verbergen. Aber damit können wir uns jetzt nicht aufhalten, wir müssen Abby finden.« Sie wandte sich an den Detective. »Vielleicht kann uns Nina D’Orive ja weiterhelfen. Werden Sie sie befragen?«
»Entweder wir oder unsere New Yorker Kollegen. Wir müssen noch die Zuständigkeit klären. Aber unter diesen Umständen ist Abbys Verschwinden tatsächlich beunruhigend. Wir werden sie sofort auf die Liste der vermissten Personen setzen.«
»Vielen, vielen Dank.« Vor Erleichterung kamen Jill fast die Tränen.
»Danke, Detective«, sagte auch Victoria. Sie sah mitgenommen aus. »Abby ist meine einzige Schwester, und wir alle haben …« Ein Handy unterbrach sie. Peinlich berührt zog Victoria ihr Telefon aus der Handtasche. »Ich habe vergessen, es auszuschalten.« Als sie auf das Display blickte, riss sie die Augen auf. »Mein Gott, das ist Abby!« Victoria hielt ihr iPhone hoch und zeigte allen das Foto von ihrer Schwester, die in die Kamera grinste: ihr Anruferbild. »Was soll ich tun? Was, wenn sie gekidnappt wurde?«
»Nehmen Sie das Gespräch an.« Detective Hightower stand auf und kam um den Tisch herum. »Machen Sie den Lautsprecher an.«
Jills Herz begann zu pochen. »Können Sie das Gespräch orten, Detective?«
»Nein.« Hightower gab zwei Kollegen Zeichen, die sich bei den Aktenschränken unterhielten. »Seid mal still!«
Jill stellte sich links, Brian rechts neben Victoria, Hightower hinter sie. Dann nahm Victoria das Gespräch an.
»Abby? Bist du das? Ich habe den Lautsprecher eingeschaltet, weil … ich keine Hand frei habe.«
»Hi, Schwesterherz«, sagte Abby. »Wie geht es dir?«
Jill traute ihren Ohren nicht. Abbys Stimme klang so fröhlich.
Victoria schüttelte den Kopf. »Abby? Bist du okay?«
»Klar, mir geht’s gut.«
»Wirklich? Und dich zwingt niemand, das nur zu behaupten?«
Abby lachte. »Was? Spinnst du jetzt?«
Victorias Mund stand sperrangelweit offen. »Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Warum hast du mich nicht zurückgerufen?«
»Entschuldige.« Abby stöhnte. »Aber ich wusste, was du sagen würdest, und ich wollte mich nicht wieder von dir anschreien lassen.«
Jill setzte sich, total perplex. Abby klang ganz und gar nicht so, als würde ihr jemand eine Pistole an die Schläfe halten. Brian entspannte sich, Hightower gab seinen Kollegen Entwarnung und ging zu seinem Platz hinter dem Schreibtisch zurück.
»Aber wo steckst du? Warum bist du nicht zu Hause?«, rief Victoria
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