Die zweite Tochter: Thriller (German Edition)
in ihr Handy.
»Ich habe jemanden kennengelernt.«
»Wie? Wen denn?«
»Einen Typen. Er heißt Brandon, arbeitet fürs Fernsehen und war hier auf Motivsuche. Er hat ein echt cooles Apartment. Aber dann sind wir doch zu ihm geflogen.«
»Wie, zu ihm geflogen?«
»Nach L. A.«
»Nach Los Angeles?
Brian verschränkte die Arme, er war sichtlich verärgert.
»Abby, verarschst du mich? Ich habe gedacht, dir sei Gott weiß was passiert!«, brüllte Victoria ins Telefon.
»Ich war nach Dads Tod so durch den Wind. Ich habe einfach eine Pause gebraucht. Brandon will mir einen Job als Produktionsassistentin besorgen. Aber vielleicht bin ich auch in einer Woche schon wieder zu Hause.«
»Ich fasse es einfach nicht. Wir sitzen gerade wegen dir bei der Polizei, um eine Vermisstenanzeige aufzugeben. Jill ist auch hier.«
Jill nahm das Telefon. »Abby, warum hast du mich nicht zurückgerufen?«
»Habe ich doch. Heute.«
Jill sah ihr kaputtes Blackberry vor sich.
»Brandon würde dir übrigens gefallen, Jill. Er will auch nicht, dass ich allein im Haus wohne. Wie du. Und er sagt, ich soll mein Leben selbst in die Hand nehmen. Auch wie du.«
»Abby, das ist alles so verwirrend. Wie alt ist Brandon?«
»Älter als ich, aber mach dir deshalb keine Sorgen. Mir geht es wieder richtig gut. Wir sehen uns, wenn ich zurück bin. Danke, dass du mir geholfen hast. Und sei bitte nicht sauer auf mich.«
Victoria riss Jill das iPhone aus der Hand. »Aber ich bin stinksauer auf dich. Wann wirst du endlich erwachsen? Dad ist gerade erst gestorben, und du haust einfach ab. Tu mir bitte einen Gefallen, bleib in L. A., und zwar für immer. Bleib bei deinem Brandon. Für mich bist du nur noch eine egoistische Schlampe.« Victoria drückte das Gespräch weg und schrie nun Jill an. »Du hast mir das eingebrockt. Ich wusste es von Anfang an. Hätte ich doch nur auf meine innere Stimme gehört.«
»Entspann dich, mein Schatz.« Jill wollte Victoria anfassen, aber sie stieß sie von sich.
»Und nenn mich nicht Schatz!« Victoria bebte vor Zorn.
»Ich hole dir ein Glas Wasser.«
»Nicht nötig«, erwiderte Victoria, dann atmete sie tief durch. »Verzeih, Jill, verzeih. Aber ich hätte es wissen müs sen.« Sie ballte ihre Hände zu Fäusten wie ein Kind bei ei nem Wutanfall. »Ich hasse meine Schwester. Ja, ihr habt alle richtig gehört. Ich hasse sie.« Sie sah zu den beiden Detectives am Aktenschrank hinüber, dann zu Detective Hightower. »Das alles tut mir entsetzlich leid, Detective. Wir haben Ihnen Ihre Zeit gestohlen.«
»Nicht so schlimm. Wollen Sie nicht doch noch ein Glas Wasser?«
»Danke.« Victoria wandte sich an Brian, sie war immer noch aufgewühlt. »Es ist Zeit, um zu gehen. Ich habe mich jetzt genug blamiert.«
Brian stand auf und schüttelte den Kopf. »Mach dir keine Vorwürfe. Die Schuld liegt nicht bei dir.«
Auch Jill erhob sich. »Wir alle haben gedacht«, sagte sie zu Hightower, »Abby sei etwas passiert. Und dennoch …«
»Und dennoch?« Der Detective runzelte die Stirn. »Nimmt Ihnen das nicht den Wind aus den Segeln?«
»Nicht unbedingt.« Jill versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Sie war überglücklich, Abby in Sicherheit zu wissen, aber Williams Doppelleben machte seine absichtsvolle Tötung in ihren Augen wahrscheinlicher als zuvor. »Abby geht es gut, aber das bedeutet nicht, dass William nicht ermordet worden ist.«
»Jill, bitte nicht. Abby wollte nur deine Aufmerksamkeit.« Victoria war noch immer unsicher auf den Beinen. »Und dass Dad sich eine zweite Identität zugelegt hat – je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger überrascht es mich. Dad war kein Engel. Eher schon ein Falschspieler. Und auch Abby ist kein Engel. Vielleicht haben sich die zwei deshalb so gut verstanden.«
Victorias Eifersucht auf ihre Schwester zu spüren tat Jill weh.
»Aber so war es doch, Jill. Dad hat Abbys Kunststudium bezahlt, aber nicht mein Jurastudium. ›Ich liebe Künstler, aber ich hasse Anwälte.‹ Das waren seine Worte. Nett, oder?«
Das hatte Jill nicht gewusst.
»Dad hat viel, manchmal zu viel riskiert. Er ist weder mit Menschen noch mit Dingen sorgsam umgegangen.«
Jill konnte dem nicht widersprechen.
»Mit seinem Charme konnte er alle Welt um den kleinen Finger wickeln. Aber die Tabletten wurden zu seinem Verhängnis. Wenn man nicht sorgsam mit ihnen umgeht, töten sie einen.« Victoria steckte ihr Handy ein. »Detective Hightower, glauben Sie, dass mein Vater ermordet wurde?«
»Nein.« Der
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