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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Maitland, 1978. Die Signatur überraschte ihn. Nicht der kühn geschwungene Namenszug, den er erwartet hatte, sondern eine saubere Unterschrift, in schwarzen Druckbuchstaben, wie von der Hand eines Buchhalters. Name und Datum. Fast ehrpusselig in seiner Genauigkeit und Lesbarkeit.
    Drei Ansichten offenbar ein und desselben Modells: en face, von hinten, im Profil. So präsentiert, vermittelten sie das Gefühl, das Mädchen von allen Seiten zu sehen. Eine sinnlich-fleischige Frau mit kastanienbraunem Haar. Trotzige Augen, schmollender Mund. Beherrschter Zorn in den geballten Fäusten, den muskulösen Schenkeln. Sie sprang einem förmlich aus der Leinwand entgegen.
    «Sehen Sie sich an, wie dick er die Farbe aufgetragen hat!» sagte jemand. «Da ist ja für mindestens hundert Dollar Farbe drauf.»
    «In einem Jahr wird die rissig», sagte ein anderer. «Er ließ seine Bilder nie richtig trocknen. Schnelle Ware, schnelles Geld.»
    «Dynamisch depressiv», bemerkte eine dritte Stimme. «Die zornige Erdmutter. Konnte dieser Kerl zeichnen! Allerdings, eine ganz oberflächliche Wirkung; auf die kann ich verzichten.»
    «Das möchte ich dir auch geraten haben, mein Lieber», sagte eine Frau. Sprödes Gelächter. «Sonst müßte man dich mit der Schaufel zusammenkratzen.»
    Delaney hörte nur mit halbem Ohr hin. Er starrte den trotzigen Akt an. Er vernahm gemurmelte Geistreicheleien. Was er sah, war eingefangenes Leben, gebannt in vibrierende Farben, die dem Auge weh taten und ihn zu sehen zwangen, was er sonst nie gesehen hatte.
    «Gefällt es Ihnen?» fragte Jake Dukker und reckte den Kopf, um Delaney ins Gesicht zu sehen. «Ich kenne das Modell. Ein kesser Vater!»
    «Wirklich?» fragte Delaney. «Sie ist schön. Maitland hat den Zorn getroffen.»
    «Und das Untergestell.» Dukker lachte. «Sehen Sie sich diese Kastriermaschine an! Haben Sie das Mädchen schon gefunden? Das junge Mädchen, auf den Zeichnungen, meine ich.»
    «Nein», sagte Delaney. «Bis jetzt noch nicht.»
    «Ich hab Sie mit Delaney reinkommen sehen», sagte Belle Sarazen. «Sind Sie seine Frau?»
    «Ja. Monica Delaney. Sie müssen Belle Sarazen sein.»
    «Ach, Sie wissen?»
    «Mein Mann hat Sie mir beschrieben. Er hat gesagt, Sie sind wunderschön.»
    «Das finde ich aber lieb von Ihnen. Und er hat Ihnen alles von mir erzählt!»
    «Ach, leider nur sehr wenig. Mein Mann spricht nie mit mir über seine Fälle.»
    «Zu schade! Ich stelle es mir aufregend vor mit einem Polizisten im Bett. Ihm zuzuhören, wenn er erzählt.»
    «Es ist sogar aufregend, wenn er nicht spricht.»
    «Wir sehen uns noch, Schätzchen.»
    «Nett, Sie wiederzusehen, Miss Maitland», sagte Abner Boone. «Ist Ihre Mutter auch da?»
    «Sie muß hier irgendwo sein», sagte Emily Maitland atemlos. «Meine Güte, ist das nicht aufregend? Ich finde es himmlisch!»
    «Die Bilder?»
    «Die auch. Vic war ein so unartiger Junge! Aber diese vielen Leute! So viele Berühmtheiten! Haben Sie jemals so viele schöne Menschen gesehen?»

    «Männer oder Frauen?» fragte er.
    «Alle», seufzte sie. «So rank und so schlank!»
    «Sind Sie mit dem Auto hergekommen?» fragte der Sergeant und wünschte, sie hätte nicht ausgerechnet ein so unkleidsames, geblümtes Wickelkleid angezogen.
    «O ja», sagte sie und schaute mit großen, glänzenden Augen um sich, «wir kommen immer mit dem Auto.»
    «Auch wenn Sie Ihren Bruder besuchten?» Er ließ nicht locker.
    «Ach, sehen Sie nur!» rief sie atemlos. «Dieser hinreißende Mann mit dem Samtanzug und den Rüschen am Hemd. Toll!»
    «Möchten Sie ihn gern kennenlernen?» fragte Boone. «Ich werde Sie miteinander bekannt machen.»
    «Wirklich?» fragte sie aufgeregt. «Vielleicht läßt er sich nach Nyack entführen, und ich stelle ihn mir dort unter einen Glassturz.»
    Abner Boone sah sie an.
    «Nun, amüsierst du dich gut?» fragte Delaney. «Hast du zu trinken bekommen? Den Kaviar probiert?»
    «Mir geht's gut», versicherte Monica ihm. «Ich verstehe, was du mit diesen Bildern meinst, Edward. Sie sind sehr stark, nicht wahr? Sie sind irgendwie …»
    «Irgendwie was?» fragte er.
    «Ein bißchen verrückt?» fragte sie vorsichtig.
    «Ja», stimmte er ihr zu. «Ein bißchen verrückt. Er wollte alles erleben, alles haben und darstellen. Auf die Weise gehörte es ihm dann.»

    Sie verstand nicht genau, was er meinte.
    «Ich habe Belle Sarazen kennengelernt», sagte sie.
    «Und …?»
    «Sehr sexy. Sehr hart. Ein Luder.»
    «Aber könnte sie jemanden

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