Die zweite Todsuende
umbringen?»
Monica sah ihn an.
«Ich glaube schon», sagte sie langsam. «Sie ist sehr unglücklich.»
«Nein», erklärte er. «Nur habgierig. Würdest du mir einen Gefallen tun?»
«Selbstverständlich. Was denn?»
«Siehst du den jungen Burschen dort drüben? Da ganz allein unter der Wendeltreppe? Das ist Ted Maitland. Victors Sohn. Geh hin und unterhalte dich mit ihm. Und sag mir, was du von ihm hältst.»
«Könnte er …?»
«Das sollst du mir sagen.»
«Ich hab mit Saul geredet.» Wolfe grinste. Die Menge schob ihn hautnah gegen Delaney.
«So?» sagte Delaney und erwiderte sein Grinsen mit einem breiten Lächeln. Zwei Freunde, die miteinander über einen gelungenen Witz lachen.
«Er sagt, er arbeitet mit der Sarazen zusammen, wie die Hälfte aller Kunsthändler an der Madison Avenue. Sie findet Käufer. Hier und in Europa. Und kassiert zehn Prozent.»
«Vom Händler oder vom Künstler?»
«Woll'n Sie mich auf den Arm nehmen? Vom Künstler natürlich. Ein Händler gibt von seiner Provision niemals was ab.»
«Dann haben sie gemeinsam Maitlands Sachen verkauft?»
«Gelegentlich, sagt er.»
«Spitzen Sie weiter die Ohren, Lieutenant, ja? Vielleicht haben nämlich sie und Maitland ihn ab und zu übergangen.»
«Oho! So also war das?»
«Könnte zumindest sein.»
«Mal sehen, was ich rauskriege. Übrigens hätte ich Lust, mit Ihrer Frau durchzubrennen.»
«Dagegen hätte ich aber was», sagte Delaney. «Sie ist nämlich eine fabelhafte Köchin. Möchten Sie mal zum Essen kommen?»
«Sie brauchen nur zu sagen, wann.»
Boone lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Er hielt sein Glas Ginger-Ale in Brusthöhe und starrte mit leerem Lächeln vor sich hin. Gäste schoben sich vorüber, traten ihm auf die Zehen, sorgten immer wieder dafür, daß sein Glas überschwappte. Er achtete nicht darauf; er beobachtete Saul Geltman und die Maitlands - Mutter und Tochter. Der Galerist hatte die beiden Frauen in eine Ecke gedrängt und redete rasch und gestikulierend auf sie ein. Emily hörte mit gesenktem Kopf aufmerksam zu. Dora schien nicht bei der Sache zu sein, lehnte sich zurück, wiegte sich mit geschlossenen Augen hin und her.
Dem Sergeant kam es so vor, als ob Geltman versuchte, ihnen etwas plausibel zu machen. In seinem Eifer, sie zu überzeugen, kochte er schier über. Er griff Dora bei der Schulter, schüttelte sie sanft. Ihre Lider klappten auf. Geltman rückte näher und sprach direkt in ihr Gesicht hinein. Ihre Hand ballte sich zur Faust, hob sich langsam. Einen Augenblick glaubte Boone, sie wolle den Mann schlagen, ihm die Faust in den Mund stoßen oder ihm eins auf den Kopf geben. Aber Emily Maitland nahm ihre Mutter beim Arm, begütigte sie, bemächtigte sich der drohenden Hand. Sie zwang die Faust sogar auf, bog die Finger gerade und lächelte dazu, lächelte und lächelte …
«Chief!» Saul Geltmans Stimme klang gequält. «Freut mich, daß Sie gekommen sind. Sie kennen Mrs. Dora Maitland? Victors Mutter?»
«Ich hatte schon das Vergnügen», sagte Delaney und verneigte sich. «Und es ist mir wieder ein Vergnügen, Madam. Eine schöne Ausstellung. Die Bilder Ihres Sohnes sind wunderbar.»
«Wunderbar.» Sie nickte feierlich.
Betrunken, dachte Delaney. Boone hatte recht, eine Trinkerin.
«Entschuldigen Sie mich einen Augenblick», sagte Geltman. «Die Kritiker. Die Fotografen. Es läuft gut, finden Sie nicht?»
Er wandte sich zum Gehen, doch Delaney griff ihn am Arm und hielt ihn fest.
«Nur rasch eine Frage», sagte er. «Hatten Sie eigentlich einen Vertrag mit Maitland?»
Verwirrt sah Geltman ihn an. Dann erhellte sich sein Gesicht und er lachte.
«Nein, keinen Vertrag. Nicht einmal durch Handschlag besiegelt. Er hätte jederzeit aussteigen können, wenn er gewollt hätte. Falls er meinte, ich machte meine Sache nicht gut. Manche Künstler wechseln ihre Galeristen wie Hemden. Das sind die zweitklassigen, immer hinter dem schnellen Erfolg her. Immer im Trab …»
Er verschwand. Delaney stützte Mrs. Maitland mit fester Hand am Ellbogen, steuerte sie geschickt zur Wand, wo sie einigermaßen sicher stand. Ein Kellner kam vorüber, und Delaney nahm einen Drink von seinem Tablett. Er legte Dora Maitlands Finger um das Glas; sie starrte ihn aus glasigen Augen an.
«Scotch?» fragte sie.
«Ist doch egal, was», sagte er. «Wie sehr habe ich den Besuch auf Ihrem bezaubernden Anwesen genossen!»
Sie hob die dunklen, schwimmenden Augen und versuchte, ihn ins Blickfeld zu bekommen.
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