Die zweite Todsuende
sieht doch jeder. Belle Sarazen ist ein hartherziges Luder. Freut mich richtig, daß sie eine gescheuert bekommen hat. Jake Dukker spinnt bloß. Aber wer mir wirklich angst macht, das ist Ted Maitland.»
«Wieso das?» fragte Boone.
«Unterdrückte Gewalttätigkeit», sagte Rebecca, ohne lange zu überlegen. «Er steht auf der Kippe. Habt ihr seine Fingernägel gesehen? Abgekaut bis zum Geht-nicht-mehr.»
«Hat eine von euch Mutter und Tochter kennengelernt?»
«Ich nicht», sagte Rebecca.
«Ich die Tochter», sagte Monica. «Eine einsame Frau. Aber unter dem ganzen Geschwabbel eine Menge Energie und Ehrgeiz.»
«Träume?» fragte Delaney.
«Ganz bestimmt», sagte seine Frau. «Große Erwartungen. Ungemein interessiert an Kleidern. Sie sagte: ‹Das gefällt mir. So was werde ich mir auch anschaffen.› Und als ich sie fragte, wann, sagte sie: ‹Bald.› Sie weiß, was sie will.»
«Interessanter Abend», sagte der Chief. «Fahren wir nach Hause. Wie wär's, wenn Sie beide noch auf einen Kaffee und einen kleinen Happen zu uns kämen?»
«Happen?» fragte Rebecca. «Ich hab heute schon schwer genug gesündigt.»
«Nichts von Happen», sagte Monica. «Oder doch … ich hab einen Kuchen in der Tiefkühltruhe.»
«Warum nicht», sagte Delaney. «Getoasteter Kuchen! Ich hätte nichts dagegen. Wir ziehen die Schuhe aus, und die Manöverkritik geht weiter.»
Einen Parkplatz fanden sie erst einen Block weiter. Von dort gingen sie zu Fuß, die beiden Männer voran, die Frauen hinterher; alle plauderten.
Die Männer stapften die Steinstufen hinauf, immer noch in ihr Gespräch vertieft. Delaney holte seine Schlüssel hervor. Plötzlich blieb er stehen. Boone, der nicht aufgepaßt hatte, prallte gegen ihn, setzte zu einer Entschuldigung an, schwieg dann jedoch. Auch er sah es.
Die Haustür - die schöne alte Eichentür - stand ein paar Zentimeter auf. Der Lichtschein der Lampe, die sie in der Diele hatten brennen lassen, fiel heraus. Am Schloß und am Türknauf war die Tür eingedrückt und zersplittert. Ein Stück Holz war herausgebrochen und lag auf dem Boden.
«Bleiben Sie hier», sagte Delaney zu Boone.
Der Chief ging den Frauen entgegen, stellte sich ihnen in den Weg, packte Monica bei den Armen.
«Hör mir zu», sagte er mit kalter, unbewegter Stimme. «Tu genau, was ich dir sage.»
«Edward, was …»
«Man hat bei uns eingebrochen. Die Tür ist aufgestemmt worden.»
«Die Kinder!» entfuhr es ihr klagend. Er verstärkte den Griff.
«Ich möchte, daß du mit Rebecca jetzt ganz ruhig nach nebenan aufs Revier gehst. Nicht laufen! Nicht rufen. Keinen Lärm schlagen. Einfach hineingehen. Sag dem Diensthabenden, wer du bist, und berichte ihm, was geschehen ist. Sag ihm, er soll jemand rüberschicken, alle Leute, die er entbehren kann. Verstanden?»
Benommen nickte sie.
«Sag ihm, daß Boone und ich im Haus sind. Das ist sehr wichtig. Ich möchte nicht, daß sie reinkommen und wild um sich schießen. Hast du verstanden, Monica?»
Abermals nickte sie. Rebecca trat dicht zu ihr, Delaney machte einen Schritt zurück. Die beiden Frauen hakten einander ein. Delaney lächelte seiner Frau aufmunternd zu.
«Also», sagte er, «los jetzt!»
Sie zögerte einen Augenblick.
«Ist schon in Ordnung», versicherte er ihr. «Geh jetzt und hol Hilfe.»
Die Frauen wandten sich zum Gehen. Delaney sah ihnen nach, wie sie gemessen den Weg zum Revier antraten. Dann machte er kehrt und nahm mit Boone seitlich von der Haustür Aufstellung.
«Haben Sie eine Waffe bei sich?» flüsterte Boone.
Delaney schüttelte den Kopf.
Der Sergeant zog den Revolver aus dem Halfter unter seiner Anzugjacke.
«Gibt's eine Hintertür?» fragte er leise.
«Nur in den Hof. Kein Ausgang.»
Boone nickte, entsicherte.
«Sie bleiben hier», befahl er. «Ich laufe ins Haus. Weg von der offenen Tür, Sir.»
Delaney sagte nichts. Boone machte sich fertig. Ging halb in die Hocke, sprang geduckt los, stieß die Schulter gegen die Tür, die weit aufflog, gegen die Innenwand prallte, wieder zurückschwang.
Doch da war der Sergeant schon im Haus. Lag flach auf dem Boden, rollte sich gegen die Wand, hielt die Waffe mit beiden Händen, kniete hin, den Revolver im Anschlag.
Nichts. Kein Laut. Keine Bewegung.
«Ich komme», rief Delaney. «Nach oben! Zweite Tür rechts. Da ist mein Revolver. Sie voran. Fertig? Dann los!»
Sie stürmten vorwärts, Boone als erster, die Treppe hinauf. Delaney mit schweren Schritten hinterher. Den Flur entlang. Bis
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