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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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zur halboffenen Schlafzimmertür.
    Wieder ließ Boone sich hineinrollen. Schußbereit. Wenige Sekunden darauf kam Delaney vom Flur herein. Knipste das Licht an. Sah sich nach allen Seiten um. Nichts. Hatte die Schlüssel bereits in der Hand, schloß die Nachttischschublade auf, in der er seine Waffen verwahrte, nahm die geladene Smith & Wesson 38 heraus, einen Trommelrevolver mit sechs Zentimeter kurzem Lauf, legte die Sicherung um.
    «Sie übernehmen Erdgeschoß und Keller», sagte er. «Knipsen Sie sämtliche Lampen an und lassen Sie sie brennen. Alles durchsuchen. Sehen Sie in die Schränke, hinter Portieren und Vorhänge, unter die Möbel - Sie wissen schon. Und nicht vergessen, daß die Männer vom Revier kommen.»
    Der Sergeant nickte und war schon unterwegs.
    Delaney ging vorsichtig zum Kinderschlafzimmer, den Revolver im Anschlag. Hoch aufgereckt bot er ein nicht zu verfehlendes Ziel. Es war ihm egal. Sein Magen zog sich zusammen - vor Wut und ohnmächtiger Angst. Er hatte Kupfergeschmack im Mund.
    Das Licht im Schlafzimmer brannte. Die Waffe voran trat er durch die Tür, ohne sich zu ducken. Wäre ihm in diesem Augenblick der Eindringling vor Augen gekommen, er hätte ihn getötet, das wußte er.
    Das Zimmer war leer, das Bett zerwühlt, Decken und Laken verstreut. Langsam drehte der Chief sich um. Er ließ sich auf ein Knie nieder, um unter dem Bett nachzusehen. Schob die Vorhänge zur Seite. Trat ins Bad. Leer.
    Zurück ins Schlafzimmer. Aus dem Einbauschrank ein Laut. Leise, wie ein Miauen. Er stellte sich seitlich vom Schrank hin, packte den Türknopf, riß die Tür weit auf, schob den Revolver vor.
    Sie lagen unten auf dem Boden: Mary und Sylvia. Hinter den Kleidern verborgen. Sie klammerten sich eng aneinander, weinten. Mit weit aufgerissenen Augen und zitternden Lidern sahen sie zu ihm auf.
    Er stöhnte, ließ sich auf die Knie fallen. Schloß sie in seine Arme und weinte mit ihnen. Drückte sie an sich, bedeckte sie mit Küssen. Und so weinten alle drei gemeinsam, schmiegten die tränennassen Wangen aneinander, redeten alle auf einmal, hielten sich umfangen, tätschelten und streichelten einander.

    Er hörte Schritte die Treppe heraufkommen, den Korridor entlang. Und Monicas verzweifelten Ruf: «Edward! Edward!»
    «Hier!» rief er lachend und hielt die Mädchen an sich gepreßt. «Wir sind hier. Alles in Ordnung. Alles in Ordnung!»
    Eine Stunde später war das Haus zweimal gründlich durchsucht worden. Man fand nichts, was auf den Eindringling hingewiesen hätte. Die Männer vom Revier gingen wieder und schüttelten den Kopf ob der Chuzpe eines Einbrechers, der sich ausgerechnet das Haus neben einem Polizeirevier aussuchte!
    Delaney hatte darauf bestanden, selbst eine Durchsuchung vorzunehmen, hatte in jeder Ecke eines jeden Raums nachgesucht, auf dem Boden und im Keller und im Hof hinterm Haus. Während die Angst sich mehr und mehr legte, wuchs die kalte Wut in ihm. Am stärksten war das Gefühl von Ekel. Die Gewißheit, daß das eigene Haus, die geheiligte Stätte, die privateste und intimste Zuflucht gewaltsam betreten und geplündert worden war. Als ob der eigene Körper von einem Fremden angefaßt, abgetastet, ausspioniert worden wäre. Und - schwer zu begreifen - auch Scham war dabei. Als ob man irgendwie der eigenen Ausplünderung Vorschub geleistet hätte.

    Nachdem die Kinder sich beruhigt und in den mütterlichen Armen ihre Fassung wiedergewonnen hatten, erzählten sie eine merkwürdige Geschichte. Sie hatten im Bett gelegen, geschlafen und nichts gehört. Doch dann war das Licht im Schlafzimmer angeknipst worden und ein Mann hatte unter der Tür gestanden. Er trug eine Skimaske vor dem Gesicht. Mary meinte, er sei groß gewesen, Sylvia hingegen fand ihn eher klein. Einig waren sie sich nur darin, daß er einen Regenmantel trug und etwas in der Hand hatte. Eine Eisenstange, aber am einen Ende abgeflacht.
    Der Eindringling hatte ihnen befohlen, in den Schrank zu gehen, und gedroht, sie umzubringen, falls sie aus dem Schrank herauskämen oder Lärm machten. Dann machte er die Schranktür zu. Sie hatten sich eng umschlungen hingekauert, weinend und zu Tode erschrocken, nicht gewagt, sich zu rühren.
    Monica und Rebecca waren außer sich. Sie brachten die Mädchen wieder zu Bett und blieben bei ihnen sitzen. Delaney und Boone gingen mit bebenden Nerven in die Küche. Mittlerweile war es nahezu zwei Uhr morgens. Jetzt endlich kamen sie zu ihrem Kaffee und ihrem Kuchen und hoben die Tassen mit

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