Die zweite Todsuende
alt, alt. Und in dem Loch befindet sich der Filter für den Luftansauger. Unter dem Bodenniveau, aber es kommt Luft ran. Sauber gemacht. Wenn Kondenswasser rauströpfelt - wer soll's schon merken? Man würde diese Belüftungsanlage überhaupt nie entdecken, wenn man nicht eigens danach suchte.»
«Eine Klimaanlage», sagte Delaney und schüttelte den Kopf. «Was zum Teufel mögen die bloß da drin haben — einen Fleischmarkt? Haufenweise Schinken und Rinderhälften?»
«Wer will das wissen, verdammt noch mal?» sagte Boone müde.
«Einen Durchsuchungsbefehl kriegen wir dafür nie», erklärte Delaney.
«Ganz Ihrer Meinung, Sir, nichts zu machen», stimmte der Sergeant zu.
«Meinen Sie, Sie könnten das Schloß mit einem Dietrich aufkriegen?»
«Ich könnt's ja mal versuchen. Wird uns wohl nichts anderes übrigbleiben, oder?»
«Wohl nicht», bestätigte Delaney. «Es bleibt uns keine andere Wahl.»
Auf dem Rückweg hielten sie an einer Tankstelle, wo Boone sich wusch und versuchte, einen Fleck aus seiner Hose zu entfernen, was ihm aber nicht gelang. Dann setzte er sich ans Steuer, und ohne mehr als ein halbes Dutzend Worte zu tauschen, fuhren sie zurück nach Manhattan; beide dachten angestrengt nach. Einmal sagte Delaney: «Er mußte ja was tun», doch als Boone nicht darauf einging, sagte auch der Chief nichts mehr.
Monica war nicht daheim, als sie bei Delaneys anlangten. Der Chief kramte im Kühlschrank und stellte Brot, Senf, Aufschnitt, Käse, ein Glas Dillgurken und eine Zwiebel auf den Tisch. Er und Boone strichen Brote und trugen sie ins Arbeitszimmer; keine Teller, nichts, was gespült werden mußte, nur Gabeln und Messer. Der Chief nahm eine Dose Bier, Boone eine Flasche Tonic Water. Auf Gläser verzichteten sie.
Sie kauten bedächtig und schwiegen; ihre Gedanken arbeiteten immer noch; sie starrten blicklos vor sich hin.
Als Delaney sein zweites Sandwich in Angriff nahm - Salami und Zwiebel auf Pumpernickel-, riß er ein Blatt von seinem Schmierblock, schob es Boone hin und legte einen Bleistift daneben. «Schreiben Sie mal auf, was Sie für die drei größten Fragezeichen im ganzen Fall halten. Ich meine, neben der Hauptfrage: wer Maitland ermordet hat. Die drei Dinge, die Ihnen am meisten Kopfzerbrechen bereiten. Ich werde das gleiche tun. Dann vergleichen wir und stellen fest, ob unsere Gedanken in dieselbe Richtung gehen.»
«Nur drei Fragen?» fragte Boone. «Mir fallen Hunderte ein.»
«Nur drei», sagte Delaney. «Die drei, die Sie für die wichtigsten halten. Speziell jetzt.»
«Einverstanden», sagte der Sergeant und nahm den Bleistift zur Hand, während Delaney seinen Kugelschreiber aufschraubte. Delaneys Fragen lauteten folgendermaßen:
1.
Warum wurden in Maitlands Atelier keine Bilder gefunden?
2.
Woher soll das große Geld kommen, mit dem Dora und Emily Maitland rechnen?
3.
Warum hat Victor Maitland, obwohl er wußte, daß er bald sterben mußte, weder seinen Lebensstil geändert noch irgendwelche besonderen Vorkehrungen getroffen?
Delaney sah auf, doch Boone starrte ins Leere und überlegte noch. Daher widmete der Chief sich weiter seinem Sandwich, während der Sergeant schrieb. Endlich war er fertig. Sie tauschten ihre Listen aus, und Delaney las:
1.
Was befindet sich in Maitlands Scheune?
2.
Warum hat Maitland nicht zum Lebensunterhalt seiner Mutter und Schwester beigetragen?
3.
Warum richteten Victor Maitland und Saul Geltman es bei ihren Besuchen in Nyack immer so ein, daß Martha Beasely sie nicht sah?
«Himmel», sagte Boone entsetzt, «wir denken nicht annähernd in dieselbe Richtung.»
Delaney starrte den Sergeant an. Dann nahm er seine eigene Liste, legte sie neben Boones und las beide noch einmal durch.
«O doch», sagte er leise, «wir sind beide auf derselben Spur. Und zwar mehr, als Sie meinen. Sehen Sie mal her …»
Er nahm eine Schere aus der obersten Schreibtischschublade, schnitt das nicht beschriebene Papier von seinem und Boones Zettel ab und warf es säuberlich in den Papierkorb unter seinem Schreibtisch. Dann schnippelte er jede Liste ordentlich in drei Streifen. Jetzt lagen da sechs Papierstreifen, sechs einzelne Fragen. Die legte er nun untereinander und schob sie hin und her.
Interessiert trat Boone hinter Delaney und beugte sich über dessen Schulter. Er beobachtete, wie der Chief die sechs Fragen in verschiedener Reihenfolge ordnete. Zuletzt ergab sich eine, die ihm offenbar gefiel, denn er lehnte sich zurück und starrte darauf. «Nun?»
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