Die zweite Todsuende
Delaney stellte den Motor ab, paffte geruhsam und wartete.
Etwa fünf Minuten später tauchte Boone zwischen den Bäumen auf der anderen Straßenseite auf. Er machte sich Delaney mit erhobener Hand bemerkbar und kam herüber, öffnete die Hecktür, warf das Werkzeug in den Wagen und riß die Jacke herunter. Sein Hemd war pitschnaß. Schweiß rann ihm übers Gesicht und glänzte in den rötlichbraunen Haaren auf seinen Händen.
«Ist ja wie in einer Sauna hier», sagte er zu Delaney. «Ich bin fix und fertig.»
Er stieg ein, und Delaney startete. Boone fand einen Lappen im Handschuhfach und versuchte, sich damit die Hände etwas zu säubern.
«Sie haben von Maitlands Krankheit gewußt», sagte der Chief. «Behaupten aber, sie hätten keine Ahnung gehabt. Das war gelogen. Und was haben Sie rausgekriegt?»
«Alles ist so, wie die Beasely es beschrieben hat», berichtete der Sergeant. «Von der Auffahrt führt ein Trampelpfad direkt zur Seitentür. Der Pfad wird viel benutzt, das Gras ist runtergetreten, praktisch nackte Erde. Die Tür selbst ist nicht verschlossen: sie besteht aus Planken, die von einer Z-förmigen Verstrebung zusammengehalten werden. Scheint genauso alt zu sein wie die Scheune - sieht jedenfalls so aus. Originalausstattung. Und dahinter ist der Schuppen, den mir die Beasely beschrieben hat. Reicht bis zu den Dachsparren. Grundfläche etwa einsachtzig mal einszwanzig. Ich hab's abgeschritten. Liegt ein Haufen alter Kram darin. Der Rasenmäher, Gartengeräte, ein großer Benzinkanister, eine Werkzeugkiste mit Inhalt, das meiste verrostet. Rohrenden, ein alter, gesprungener Spülstein. Lauter Gerümpel.»
«Lehmboden?»
«Nein, Dielenbretter, aber direkt auf der Erde. Kein Keller oder Fundament. Ich hab den Schraubenzieher durch eine Spalte gesteckt und nachgefühlt. Nichts als Erde.»
«Und das ist alles?» fragte Delaney. «Nur dieser Geräteschuppen?»
«Nein.» Boone sah den Chief vielsagend an. «Da ist noch was. Nämlich eine alte Persenning an der Rückwand, an ein paar Nägeln aufgehängt. Wie zum Trocknen. Und hinter dieser Persenning ist eine Tür.»
«Eine Tür.» Delaneys Nicken verriet Befriedigung. «Hinter der Persenning - also verborgen.»
«Richtig», sagte Boone. «Eine neue Tür. Eine sehr solide Tür, würde ich sagen. Kein Spanholz. Die Scharniere sind auf der anderen Seite.»
«Verschlossen?»
«Und wie! Mit einem Kombinationsschloß. Kein Knauf, kein Türgriff. Nur das Schloß. Das muß man öffnen, dann geht die Tür auf.»
«Aber das ist Ihnen nicht gelungen?»
«Nein, nichts zu machen. Jedenfalls nicht mit Schraubenzieher und Zange. Ich nahm an, Sie wollten nicht, daß ich die Tür mit dem Brecheisen aufmache?»
«Da haben Sie richtig gedacht. Ahnen Sie, was hinter der verschlossenen Tür ist?»
«Nein, Sir. Die Tür hat keine Ritzen. Nichts zu sehen. Ich hab die Persenning hingehängt, wie sie war, kam raus und schloß die Außentür. Und jetzt passen Sie auf … ich geh hinten um die Scheune rum, seh mich um. Hoch oben, direkt unterm Giebel, ist ein kleines Fenster. Mit Brettern vernagelt. Vier, fünf Meter vom Boden aus, würde ich sagen. Keine Möglichkeit, raufzukommen. Aber selbst wenn ich eine Leiter gehabt hätte - es war richtig vernagelt. Dicke Bretter, kreuz und quer. Tja, und während ich dastehe und raufsehe, höre ich plötzlich ein Klicken und dann ein leises Summen.»
Delaney starrte Boone an. «Was könnte denn das sein?» fragte er.
«Genau das habe ich mich auch gefragt. Folglich ging ich noch mal rein, zog die Persenning wieder zur Seite und legte das Ohr an die Tür. Jetzt konnte ich es noch besser hören: ein tiefes, stetiges Summen. Wie ein Motor.»
«Kaum zu glauben», sagte der Chief und überlegte.
«Was meinen Sie, wie mir zumute war?» fragte Boone. «Zuerst dachte ich, ich bilde mir das bloß ein. Aber dann kam wieder dieses Klicken, und das Summen hörte auf. Wie vorher. Und da wußte ich, was es war: eine Klimaanlage.»
«Himmelherrgott noch mal!» entfuhr es Delaney.
«Konnte gar nichts anderes sein. Eine Klimaanlage mit Thermostat. Wird die Temperatur drinnen zu hoch, springt sie automatisch an. Ich also wieder nach draußen, um nachzusehen, ob ich irgendwo die Belüftung von diesem verdammten Ding entdecke. Deshalb hat es so lange gedauert. Endlich habe ich sie gefunden. Vor dem Fundament befindet sich ein Loch im Boden, damit das Wasser aus der Regenrinne ablaufen kann. Eine Art Sickergrube, mit Kieseln gefüllt. Alt,
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