Die zweite Todsuende
Strafen geahndet wird. Aber Simon tüftelt Mittel und Wege aus, die das Risiko praktisch auf ein Nichts reduzieren.»
«Und wer trägt den Nutzen davon?» fragte der Sergeant.
«Cui bono?» Der Chief lächelte. «Das habe ich mich schon vor langer Zeit gefragt, ohne eine Antwort darauf zu finden. Maitland wollte, daß seine Mutter und seine Schwester den Nutzen davon hätten. Vielleicht hatte er ihnen vorher wirklich nie was zukommen lassen. Vielleicht hin und wieder Almosen. Jedenfalls weiß er, daß sie nur so grade über die Runden kommen und daß das alte Maitland-Anwesen in Nyack immer mehr verkommt. Jetzt, wo er weiß, daß er bald sterben muß, befallen ihn Schuldgefühle. Er möchte, daß seine Mutter und seine Schwester wirklich etwas davon haben und das Finanzamt sich die Nase wischt; mit der Einkommenssteuer rupfen sie ihn ja ganz schön. So muß Maitland sich das meiner Meinung nach gedacht haben.»
«Und was ist mit seiner Frau und seinem Sohn?»
«Laß sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind, hat Maitland vermutlich gedacht, und so etwa wird er sich Geltman gegenüber ausgedrückt haben: Die können mich mal! Die Frau hat eigenes Vermögen, immerhin zwanzigtausend im Jahr, nicht wahr? Hungern wird sie also nicht. Außerdem denkt Victor wohl, daß er genug Geld und Bilder in der Galerie Geltman hinterläßt, um seinem Sohn einen guten Start zu geben. Der Junge bekommt nach Abzug der Steuern immerhin die Hälfte des Erbes. Nein, den großen Schnitt sollen nach Maitlands Willen die Mutter und die Schwester machen.»
«Dann hängen also Dora und Emily mit drin?»
«Das geht doch gar nicht anders; schließlich ist es ihre Scheune, die als Lager oder Archiv benutzt wird. Ich nehme an, sie haben darunter gelitten, daß Victor sterben mußte und so - und vielleicht hat Dora deshalb zur Flasche gegriffen-, was sie jedoch tröstete, das waren die schönen Bilder, die sich in der Scheune stapelten. Ihr Erbteil. Meiner Meinung nach haben sie es sich folgendermaßen gedacht:
Nehmen wir mal an, Maitland malte, nachdem er von seiner tödlichen Krankheit erfahren hatte, rund fünfzig Bilder pro Jahr. Zehn oder fünfzehn davon gingen an Geltman und sollten normal verkauft werden. Auf diese Weise wurden die Maitlands künstlich verknappt, und der Preis für seine Bilder kletterte in die Höhe. Die anderen fünfundzwanzig Bilder oder mehr wurden in die Scheune gebracht, von Maitland oder Geltman, und zwar wenn die Beasely nicht da war und also auch nicht sah, wie sie den Kombiwagen entluden.»
«Und wenn Dora und Emily zum Mittag- oder Abendessen nach New York kamen», sagte Boone, «nahmen sie in ihrem Mercedes Bilder mit zurück.»
«Richtig.» Delaney nickte. «Und wenn das Finanzamt jemals dahinterkommen sollte, würden Dora und Emily und Saul Geltman behaupten, diese Bilder seien schon vor zwanzig Jahren gemalt worden, als ein Maitland noch hundert Dollar kostete. Der Stil des Malers hat sich nie so sehr geändert, daß das irgendwem aufgefallen wäre. Und Sie haben ja gehört, was der Mann vom Finanzamt am Telefon sagte. Vor zwanzig Jahren, als seine Bilder 100 Dollar pro Stück brachten, konnte Maitland seiner Mutter dreißig Bilder pro Jahr schenken und seiner Schwester noch mal dreißig und blieb damit immer noch im Rahmen der gesetzlich erlaubten 3000 Dollar. Wie soll das Finanzamt beweisen, daß die Bilder 1978 gemalt wurden, als ein Maitland für hunderttausend und mehr wegging?»
«Sie müßten sich an ein Verzeichnis halten», sagte Boone bedächtig. «Eine Art Hauptbuch, wie Geltman es uns für die legitim verkauften Bilder zeigte.»
Delaney wies mit dem Finger auf ihn.
«Richtig», sagte er. «Genau das ist es. Doppelte Buchführung. Der Kunsthändler hat bestimmt ein illustriertes Verzeichnis, aus dem hervorgeht, daß die Bilder um 1958 herum entstanden sind und Dora oder Emily geschenkt wurden. Alles natürlich genauso faul wie ein Drei-Dollar-Schein, aber das Finanzamt würde es verdammt schwer haben, das zu beweisen.»
«Aber warum hat Victor seiner Mutter und Emily nicht wenigstens erlaubt, ein paar von den Bildern noch zu seinen Lebzeiten verkaufen zu lassen? Da hätten sie zwar Steuern auf ihren Gewinn zahlen müssen, aber sie hätten anfangen können, ihr Haus zu renovieren.»
«Weil Geltman sie davon überzeugte, daß die Preise für Bilder von Maitland steigen und steigen würden; je länger sie die zurückhielten, um so mehr würden sie später dafür bekommen. Und nach Maitlands
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