Die zweite Todsuende
bestätigend. Delaney bedeutete den beiden, zur Seite zu treten, so daß keiner von den dreien unmittelbar vor der Tür stand. Dann klopfte er.
Keine Antwort.
Wieder klopfte er, fester. Man hörte drinnen Bewegung, das Schlurfen von Pantoffeln.
«Wer is da?» rief eine Frauenstimme.
«Wir kommen von der Schulbehörde wegen Dolores Ruiz», rief Delaney zurück.
Man hörte, wie Schlösser geöffnet, Ketten ausgehakt wurden. Die Tür ging auf, und Jason pflanzte sogleich einen riesigen Fuß in den Spalt. Die Frau betrachtete diesen Fuß, sah zu Jason auf. Sodann wanderte ihr Blick zu Boone und Delaney. «Scheiße verdammte, habt ihr Ausweis?»
Boone und Jason zückten ihre Dienstmarken. Daß Delaney nichts vorwies, fiel ihr offenbar nicht auf.
«Wir möchten gern reinkommen, Mama», sagte Delaney freundlich.
«Haftbefehl vielleicht?» wollte sie wissen.
«Wozu denn das?» tat Delaney erstaunt. Er schaute auf seine Begleiter, dann auf Mama Perez. «Warum sollten wir mit einem Haftbefehl kommen? Wir wollen nicht mal die Wohnung durchsuchen, Mama. Bloß ein bißchen plaudern.»
«Worüber?» fragte sie mißtrauisch.
Delaney entnahm dem großen Umschlag die Skizzen von Maitland und hielt sie der Frau vor die Nase.
«Darüber.»
«Schön», sagte Mama verträumt, «schön, nich?»
«Sehr schön», nickte Delaney. «Dürfen wir nun reinkommen und uns mit Ihnen darüber unterhalten?»
Sie gab widerwillig den Weg frei, und die Herren traten ein. Eine Ein-Zimmer-Wohnung. Eine Schachtel, vielleicht vier auf vier Meter, ein schmaler Einbauschrank mit einem jetzt aufgezogenen Vorhang statt einer Tür, eine eingebaute Küche, kaum größer als der Schrank, mit Spülstein, Hängeschrank, zweiflammigem Gasherd, einem alten Kühlschrank, nicht mehr weiß, sondern gelblich. Der Raum hatte ein Fenster und eine weitere Tür, die geschlossen war. Delaney warf einen flüchtigen Blick von dieser Tür zu Jason, der riesige Polizist war mit einem einzigen Schritt davor, öffnete sie behutsam, spähte ins Innere, machte sie wieder zu.
«Kleines Bad», meldete er, «Waschbecken, Klo, Wanne, Wandschränkchen und gegenüber noch eine Tür.»
«Noch eine Tür?» wiederholte der Chief nachdenklich. Dann fragte er Mama Perez: «Teilen Sie sich das Bad mit Dolores Ruiz?»
Sie nickte.
«Aha», murmelte Delaney. «Das war mal eine Zwei-Zimmer-Wohnung, aber der Hausbesitzer hat zwei kleine Apartments daraus gemacht. Das bringt mehr ein. Richtig?»
Wieder nickte sie wortlos.
«Dürfen wir uns setzen, Mama? Wir wollen nur eine freundliche kleine Unterhaltung mit Ihnen, aber es kann schon ein Weilchen dauern.»
Mama Perez erzählte bereitwillig, was sie wußte. Alle drei hörten ihr aufmerksam zu. Keiner unterbrach sie.
An jenem Freitag war sie mit Dolores in die Orchard Street gegangen, weil das Mädchen Schuhe brauchte. Auf der Straße hatte ein Verrückter sie am Arm gepackt, behauptet er sei Maler und wolle Dolores zeichnen. Falls Dolores bereit sei, ihm nackt Modell zu stehen, werde er dafür bezahlen. Mama dürfe zu ihrem Schutz mitkommen und dabei sein. Erst aber müsse er Dolores' Körper sehen, müsse sich überzeugen, daß sie so schön sei, wie er glaube.
Man bestieg also zu dritt ein Taxi und fuhr zum Atelier in der Mott Street. Dolores zog sich aus, der Verrückte machte drei Zeichnungen von ihr, sagte dann, Dolores solle ihm Modell stehen, für 5 Dollar die Stunde, und die Frauen erklärten sich einverstanden, Montag früh zurückzukommen. Das taten sie, es stellte sich aber heraus, daß der Verrückte tot war. Sie erfuhr später, er sei ermordet worden, las es in der Zeitung, hörte die Meldung im Fernsehen. Weiter war nichts.
Als sie geendet hatte, trat vorübergehend Stille ein. Alle drei glaubten ihr jedes Wort. Nun fragte Boone:
«Haben Sie im Atelier was getrunken?»
«Ja, ein Schnaps.»
«Hat Maitland was getrunken?» fragte Delaney.
«Von der Flasche», nickte sie bestätigend. «Verrückt war er.»
«Hatte Dolores irgendwo in ihrer Kleidung eine Sicherheitsnadel, die sie beim Ausziehen verlor?» fragte Delaney weiter.
Rosa Perez zuckte die Achseln. «Kann sein. Weiß nich mehr.»
«Lebte Maitland, als Sie weggingen?» fragte Boone.
Sie wandte langsam den Kopf zu ihm hin und musterte ihn listig.
«Du denkst, ich mache ihn tot?»
«Lebte er noch?» beharrte Boone.
«Ja, lebte er noch. Warum soll ich ihn totmachen?»
«Ist Dolores da? Jetzt? Nebenan in der Wohnung?» fragte der Chief.
Die Frau reckte
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